Jürgs kritisiert schwindende Professionalität im Journalismus

Jürgs kritisiert schwindende Professionalität im Journalismus
Der Autor Michael Jürgs (68) sieht schwindende Professionalität als eine der Ursachen für die Krise des Journalismus.

"Jeder darf sich heute Journalist nennen", sagte der ehemalige "Stern"-Chefredakteur am Dienstagabend in Hamburg. Dafür reiche irgendein Beleg, egal ob im Anzeigenblättchen, im eigenen Blog oder in Form eines abgedruckten Leserbriefs: "Zu viele Amateure würzen die Gerichte - und so fad schmecken sie denn auch." Jürgs sprach unter dem Titel "Brauchen wir noch Journalisten? Keine Macht den Drögen" in der Reihe "Zukunft denken", die gemeinsam mit der Udo-Keller-Stiftung "Forum Humanum" veranstaltet wird.

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Weil heute nahezu alles möglich sei, seien Profis vonnöten, "ausgebildete und gern auch gebildete Fachleute". Nur Journalisten könnten harte und handfeste Recherchen und Enthüllungen von Skandalen herbeischaffen, betonte Jürgs. Das gelte für Watergate ebenso wie für die NSA oder den ADAC.

Es gebe heute rund 45.000 Journalisten in Deutschland. Diese Zahl sage aber "nichts darüber aus, wie viele von denen in Wirklichkeit andere Berufe schwänzen", sagte Jürgs. Es gebe zu viele Journalisten, die ihren Job so ausübten, als könnte es zur Not auch ein anderer sein. Zu viele hätten Talent und Leidenschaft ersetzt durch "Faulheit, Eitelkeit und Fantasielosigkeit". Wer nicht bereit sei, sich für Qualität zu quälen, habe seine Zukunft bereits hinter sich.

Haltung, Verantwortung und Moral sind nach Ansicht von Jürgs die Grundtugenden im Journalismus. Auch Mut gehöre dazu. Pflicht und Hauptaufgabe des Journalisten sei es, alles zu senden oder zu drucken, "was wesentlich ist und wichtig". Hinzu komme die Binsenregel, nichts zu glauben, was "in erinnerungsseligen Geschichten verklärt oder von Endzeitpropheten verkündet" wird. Stattdessen müsse man alles in Zweifel ziehen: "Grau ist die Farbe des Zweifels, und sie steht Journalisten gut."

Es gebe noch Exemplare der altmodischen Grundhaltung, die ihren Journalistenberuf so liebten wie an jenem Tag, als sie ihren Namen zum ersten Mal gedruckt in der Zeitung lasen. "Wenn durch einen ihrer Artikel die Grünphase an der Fußgängerampel vor dem Altenheim verlängert wird, haben sie immerhin konkret die Welt verändert", sagte Jürgs.