Schuldspruch in Frankfurt wegen Massaker in Ruanda

Foto: epd/Jochen Günther
Ein ehemaliger Bügermeister aus Ruanda ist in Frankfurt am Main wegen Beihilfe zum Völkermord im Jahr 1994 zu 14 Jahren Haft verurteilt worden.
Schuldspruch in Frankfurt wegen Massaker in Ruanda
Erster Prozess in Deutschland zu Gräueltaten vor 20 Jahren
Mit Macheten, Hacken und Beilen fielen die Angreifer über ihre Opfer an einer Kirche her. Erstmals wurde ein Ruander in Deutschland wegen des Völkermordes 1994 in seinem Land verurteilt: 14 Jahre Haft. Es war ein ungewöhnlicher Prozess.
18.02.2014
epd
Elvira Treffinger

Es war ein unvorstellbares Grauen, das am Dienstag in einem Frankfurter Gerichtssaal zur Sprache kam. Dabei verzichtete der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel auf die schlimmsten Einzelheiten, als er schilderte, wie Hunderte von verängstigten, weinenden, schreienden und betenden Menschen an einer Kirche abgeschlachtet wurden. Das Massaker geschah vor 20 Jahren, mehr als 6.000 Kilometer von Deutschland entfernt: Am 11. April 1994 in Kiziguro, Ruanda, wo der Völkermord an der Tutsi-Minderheit gerade begann.

###mehr-artikel###Für das Massaker in Kiziguro an mindestens 450 Tutsi musste sich ein ehemaliger Bürgermeister aus Ruanda vor dem Frankfurter Oberlandesgericht verantworten, der erste Prozess in Deutschland zu den dortigen Gräueltaten vor 20 Jahren. Nach drei Jahren Hauptverhandlung erging ein Schuldspruch - wegen Beihilfe zum Völkermord: Onesphore Rwabukombe (56) soll für 14 Jahre ins Gefängnis. Nach Abzug der Untersuchungshaft und einem Straferlass für die lange Prozessdauer sind es noch neuneinhalb Jahre. Er gehört zur Bevölkerungsmehrheit der Hutu.

Angeklagte bestritt die Tat

Der Angeklagte, der seit 2002 in Deutschland lebt, verfolgte die Urteilsverkündung mit ernstem Gesicht, den Kopf auf die gefalteten Hände gestützt. Er war nicht nach Ruanda ausgeliefert worden, weil es Zweifel an der Fairness der ruandischen Justiz gab. Als das Frankfurter Gericht am Dienstag seine Erkenntnisse zu dem Massaker und seiner Rolle dabei verlas, schüttelte Rwabukombe mehrfach den Kopf.

Er hatte die Tat bestritten. "Ich bin fassungslos über die Anschuldigungen von Zeugen, die ich nicht kenne", hatte er in seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung gesagt. Aber wo er sich am Tag des Massakers aufgehalten hat, konnte er laut Verteidigung nicht rekonstruieren.

Rwabukombe war nicht angeklagt, selbst Menschen getötet zu haben. Aber er hat nach Erkenntnissen des Gerichts einem von Hetzpropaganda aufgestachelten, wütenden und bewaffneten Mob Zeichen zum Angriff auf schutzlose Tutsi auf dem Kirchengelände gegeben. Worte wie "Macht eure Arbeit" hätten genügt.

Mehr als 100 Zeugen

Der Angeklagte war Bürgermeister des Ortes Muvumba im Norden Ruandas und hatte mit seiner Gemeinde Zuflucht in der Nähe von Kiziguro gefunden. Rwabukombe war in Kiziguro laut Urteil immer noch Autoritätsperson an der Seite des örtlichen de-facto-Machthabers Jean-Baptiste Gatete, der vom Internationalen Ruanda-Tribunal in Arusha zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde.

Die Angreifer in Kiziguro fielen mit Macheten, Hacken und Beilen über ihre Opfer her. Die Männer wurden zuerst niedergemetzelt, dann die Frauen und Kinder. Mehr als 100 Zeugen wurden dazu in Frankfurt vernommen, darunter einige der wenigen Überlebenden und verurteilte Mittäter, die zum Teil vor live geschalteten Videokameras in Ruanda aussagten.

Ausführlich setzte sich das Gericht mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen aus dem fremden Kulturkreis auseinander, die von der Verteidigung teils massiv angezweifelt wurde: Es existiere ein Druck zur Konformität unter der heutigen von Tutsi dominierten Regierung, womöglich gebe es auch Denunziation, räumte das Gericht ein. Hinweise auf eine Einflussnahme auf die Zeugen zum Nachteil des Angeklagten seien aber nicht zu finden. Vielmehr erhielt das Gericht Hinweise, dass Belastungszeugen nach ihrer Aussage in Frankfurt bedroht wurden.

Neuland für deutsche Justiz

Die wichtigsten Aussagen überzeugten das Gericht "mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit". Die Tatbeteiligung liegt nach dem Urteil "im Grenzbereich zur Mittäterschaft", womit die relativ hohe Strafe erklärt wurde. Detailreich, stimmig und schlüssig schilderten laut Richter Christoph Koller mehrere Zeugen, wie Rwabukombe mit seinem Auto wegfuhr, um weitere Täter zu finden, und den Transport der Leichen zu einem Brunnenschacht überwachte.

Die Generalbundesanwaltschaft hatte lebenslänglich wegen Mittäterschaft gefordert und auf besonderer Schwere der Schuld plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Verteidigung, die Freispruch gefordert hatte, kündigte bereits Revision beim Bundesgerichtshof an.

Mit dem Verfahren betrat die deutsche Justiz Neuland. Das Oberlandesgericht hörte Historiker zu Ruanda, studierte Landkarten, Stadtpläne und betrachtete Fotos. Nach dem Weltrechtsprinzip wiegen Völkermord-Verbrechen so schwer, dass sie überall auf der Welt geahndet werden können. Für Menschenrechtler ist das Urteil ein Signal, dass Deutschland kein sicherer Hafen für Mörder und Folterer ist.