Sotschi, wir kommen: ein Olympiapfarrer bereitet sich vor

Foto: epd-bild / Bertold Fernkorn
Auf nach Sotschi: Thomas Weber in seiner Kirche im nordrhein-westfälischen Gevelsberg bei Hagen. Das Foto entstand kurz vor den Spielen in Peking, bei denen er ebenfalls dabei war.
Sotschi, wir kommen: ein Olympiapfarrer bereitet sich vor
Vertretungen für Beerdigungen und Konfirmandenunterricht organisieren, Sportsendungen und Berichte über Russland im Fernsehen ansehen und Koffer packen: Für Thomas Weber bedeuten die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi derzeit vor allem Organisation. Doch bald ist er mittendrin, denn er ist einer von zwei Olympiapfarrern.
03.02.2014
evangelisch.de
Verena Horeis

Das heißt, er begleitet die mehr als 150 deutschen Sportler zu den Olympischen Winterspielen, die am 7. Februar anfangen. "Ich möchte mit den Sportlern genauso ins Gespräch kommen wie mit den Menschen vor Ort, dafür muss ich wissen, was die Menschen dort umtreibt", sagt der Pastor. Schließlich gibt es über die Spiele in Russland viele kritische Berichte.

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Es geht um Themen wie Menschenrechtsverletzungen oder Diskriminierung von Homosexuellen. Thomas Weber hat dennoch nicht den Eindruck, dass homosexuelle Sportler Angst haben nach Sotschi zu reisen. Unter den Olympioniken sei Homosexualität bekannt und die Menschen gingen offen damit um. Deutsche Sportler sagten ihm oft, ihnen sei der Ort der Wettkämpfe weniger wichtig, "wir konzentrieren uns auf den Sport".

Im vergangenen Jahr war Weber bei der Sommer-Universiade, also Sportspielen von Studenten aus der ganzen Welt, im russischen Kazan dabei und hat einen ersten Eindruck von dem Land bekommen. Damals gewann Russland 155 Goldmedaillen - mehr als alle anderen teilnehmenden Nationen zusammen. Er glaubt, dass die Russen sehr stolz darauf sind, ihr Land präsentieren zu können. Sie hätten eine Möglichkeit zu zeigen, dass sie eine "Großmacht im Sport" seien und "perfekte Spiele" veranstalten könnten. Aber gleichzeitig hat er Sorge, "dass die Wettkämpfe in tollen Wettkampfstätten stattfinden, das Fernsehen die Spiele inszeniert, aber die Atmosphäre vor Ort leblos ist", sagt er.

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Die Kirchen sollen mittendrin sein

Am 5. Februar setzt sich Weber in den Flieger nach Russland. Dann stehen sein katholischer Kollege Thomas Nonte und er der Mannschaft zur Seite, wann immer sie gebraucht werden. Viele Begegnungen ergäben sich spontan, erzählt Weber. Er trifft nicht nur auf Sportler, sondern auch auf deren Freunde, Familie, Trainer oder andere Begleiter. Die meisten sind überrascht, dass Pfarrer vor Ort sind.

Oft ergeben sich interessante Gespräche. Beispielsweise darüber, welche Aufgaben ein Gemeindepfarrer hat und wie Webers Alltag zu Hause abläuft. Manche fragen, welche Bedeutung die Bibel in der heutigen Zeit überhaupt noch haben kann. Andere erzählen, dass ihnen ihr Glaube in einigen Situationen schon geholfen hat oder aber, dass sie nichts mit Glaube oder der Institution Kirche am Hut haben.

Für Weber sind genau solche Begegnungen Teil seiner Aufgabe bei den Olympischen Spielen. "Wir können über den Sport Menschen erreichen, die sich sonst nicht für Kirche interessieren", sagt er. "Wir sind da, wo Menschen zusammenkommen, da wo Freude, Glück, Erfolg und Trauer beieinander liegen", das sei eine wichtige Botschaft der Kirchen. Weil sie "mittendrin" sind, heißt so auch die Olympiabroschüre, die die Kirchen den deutschen Sportlern als kleinen theologischen Impuls mitgeben.

Schweigen, um Halt zu geben

Auch die Sportler schildern ganz unterschiedliche Erlebnisse. "Wir führen wirklich Gespräche über Gott und die Welt." Es geht um Situationen mit Familie oder Freunden, um den Sport, aber auch um die Gefühle der Athleten.

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Weber berichtet, dass gerade junge Teilnehmer ihm erzählen, sie seien es gewohnt viel unterwegs zu sein. Ihr Alltag ist durchgetaktet, vieles wird für sie organisiert. Bei Olympia aber wohnen alle gemeinsam in einem großen Dorf, jeder muss sich selbst organisieren und darauf achten, pünktlich beim Wettkampf zu sein. Mit solch einem turbulenten Umfeld seien einige zunächst überfordert, meint Weber, aber viele würden offener, wenn ihre Wettkämpfe vorbei sind.

Manchmal muss Weber auch echte Krisen begleiten. Vor ein paar Jahren hat er beispielsweise einen Schwimmer betreut, dessen Vater während der Olympischen Spiele starb. Er war tausende Kilometer von zu Hause weg und konnte nichts tun. "Wir haben erstmal stundenlang geschwiegen, aber es war wichtig, dass ein Notfallseelsorger da war", sagt Weber. Auch die Mannschaftskollegen haben sich später bei ihm für sein Engagement bedankt, denn alleine hätten sie ihren Kollegen in dieser schwierigen Situation nicht gut auffangen können.

"Wie bei der Feuerwehr: Besser ist, man braucht uns nicht"

Die Sportler wissen, dass die Pfarrer verschwiegen sind. "Wir hören zu, haben Interesse an ihnen als Person. Der Wert eines Menschen definiert sich schließlich nicht über Leistung", erzählt Weber. Für die Sportler und deren Mitarbeiter sei das eine schöne Abwechslung zu den Wettkämpfen, bei denen sie meist unter Beobachtung seien. "Sonst stehen überall Kameras und Journalisten wollen Interviews. Bei uns ist ein Ort der Ruhe, da können sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen, ohne Angst haben zu müssen, dass eine Zeitung morgen darüber schreibt".

Bei den Spielen in Peking war ein Sportler krank geworden und konnte nicht an dem Wettkampf teilnehmen, auf den er jahrelang hingearbeitet hatte. Vier Jahre später traf Weber ihn wieder. Der Sportler erzählte, wie froh er war, dass damals ein Seelsorger seinen Frust aufgenommen hat. In solchen Momenten merkt Weber, der schon zum fünften Mal bei Olympischen Spielen dabei ist, besonders, wie wichtig seine Arbeit ist. Aber er weiß auch: "Mit Olympiaseelsorgern ist es wie mit der Feuerwehr, es ist gut, dass wir da sind, aber besser, wenn man uns nicht braucht."