Filmkritik der Woche: "Mandela: Der lange Weg zur Freiheit"

Foto: Senator
Filmkritik der Woche: "Mandela: Der lange Weg zur Freiheit"
Zu glatt, zu kalt: Es ist eine mitreißende Geschichte: Wie Nelson Mandela vom Freiheitskämpfer zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas wurde. Der vor seinem Tod abgedrehten Filmbiographie "Mandela – Der lange Weg zur Freiheit" gelingt es allerdings nicht, die Widersprüche dieses Lebens zu fassen.
29.01.2014
epd
Birgit Roschy

Nelson Mandela ist eine politische Ikone, auf die sich alle Lager verständigen können. Als Freiheitskämpfer und als südafrikanischer Präsident, der die Nation einte, steht er zugleich für Kampf und Aussöhnung. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner unter den zeitgenössischen Helden. Und dies ist vielleicht der Grund dafür, dass diese Hommage so vorsichtig und konventionell ausfällt. Richtig nahe kann oder will "Mandela: Der lange Weg zur Freiheit" dieser Persönlichkeit, schon zu Lebzeiten zur Legende entrückt, nicht kommen.

Natürlich ist es unmöglich, Mandelas Leben – er starb am 5. Dezember 2013 im Alter von 95 Jahren – in knapp zweieinhalb Stunden zu würdigen. Um zumindest die entscheidenden Stationen abzuhaken, wählt Regisseur Justin Chadwick ("Die Schwester der Königin") die Form einer stark kondensierten, sprunghaft wirkenden Chronologie. Zunächst entfaltet sich ein pittoresker Bilderbogen von Mandelas Heimatdorf in der Transkei bis nach Johannisburg, wo der Häuptlingssohn in den 40er Jahren studiert, heiratet und als Anwalt arbeitet. Die zunehmend restriktive Rassentrennungspolitik der weißen National Party, deren Gesetze im Alltag der "Kaffer" zu empörender Ungerechtigkeit führen, bringen den intelligenten Aufsteiger in Kontakt mit den Gründern des ANC, des African National Congress.

Tragödie seines Lebens: Die Trennung von Winnie

Als zunächst gewaltloser, dann Gewalt befürwortender Aktivist – als Wendepunkt gilt das Massaker von Sharpeville 1960 – geht der zum Sprachrohr der Anti-Apartheid-Bewegung aufgestiegene Mandela in den Untergrund. Seine Verurteilung zu lebenslanger Haft auf Robben Island 1964 stärkt nur seine Entschlossenheit – die sich mit seiner Freilassung 1990 schließlich voll entfalten kann.

Als roter Faden dieser einzigartigen Karriere dient Mandelas Beziehung zu seiner zweiten Frau Winnie. In dem Maße, in dem Mandela seine Haltung ändert und für die Weißen wählbar wird, radikalisiert sich Winnie, die während Mandelas Haft von der Polizei terrorisiert wird. Die späte Trennung Mandelas von seiner großen Liebe erscheint, zusammen mit weiteren Schicksalsschlägen, als die Tragödie seines Lebens. Die Szenen dieser Ehe, von der ersten Begegnung bis hin zur Entfremdung des Powerpaares, gehören zu den wenigen wirklich intensiven Momenten.

Idris Elba ("The Wire", "Pacific Rim"), obgleich Mandela nicht besonders ähnlich, imitiert gekonnt dessen Haltung und macht Charisma, das "Kraftfeld", das Mandela laut Zeitzeugen umgab, begreiflich. Naomie Harris, als rachsüchtige Meeresgöttin Calypso in "Fluch der Karibik" bekannt geworden, ist auch als Winnie eine Frau, mit der man sich ungern anlegen würde. Daneben erzeugen besonders Mandelas Treffen mit den Präsidenten Botha und De Klerk Gänsehaut. Auch das Produktionsdesign dieses bis jetzt teuersten südafrikanischen Films ist der Größe des Nationalhelden angemessen – sieht man vom Make-up von Elba als ergrautem Mandela ab. Kameramann Lol Crawley badet die Außenszenen in dem honigfarbenen, gleißenden Licht, das das Kap auch bei Werbefilmern zur bevorzugten Location gemacht hat.

Fehlender Resonanzraum

Dennoch lässt einen diese filmische Huldigung etwa im Vergleich mit den Mandela-Filmen "Invictus" und "Goodbye Bafana", die gewiss ihre kitschigen Seiten haben, oft eher kalt. Denn zu einem lebendigen Porträt gehören auch die schillernden Facetten, die eine Lichtfigur erst menschlich machen. Bedauerlich ist nun weniger, dass Mandelas Hallodriphase in Johannesburg oder seine Reisen in Guerillalager verkürzt abgehandelt werden. Schwerer wiegt das Übergehen von Mitstreitern wie Walter Sisulu und Ahmed Kathrada, die vorwiegend Statisten bleiben.

So klebt das Drehbuch an der Titelfigur, ohne ihr Tiefe zu verleihen: Es fehlt der Resonanzraum, in dem Mandelas Charakter, seine politische Willensbildung erst spannende Konturen gewinnen könnten. Tatsächlich ist auch Mandelas 1994 veröffentliche Autobiografie, auf der das Drehbuch basiert, in dieser Hinsicht unergiebig. Deshalb überzeugt der Film vor allem als Anreiz, sich mit dieser Jahrhundertfigur genauer zu beschäftigen.

Großbritannien/ Südafrika 2013. Regie: Justin Chadwick. Buch: William Nicholson. Mit: Idris Elba, Naomie Harris, Tony Kgoroge, Riaad Moosa. Länge: 139 Min. FSK: ab 12 Jahre.