Bischof Hein: ÖRK-Treffen ist Chance für mehr Frieden

Foto: epd/Matthias Rietschel
Der Pastor der Koreanischen Evangelischen Kirchengemeinde in Hamburg, Kwang-Eun Chung, und der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein (Kassel, re.) mit Schals der 10. Vollversammlung.
Bischof Hein: ÖRK-Treffen ist Chance für mehr Frieden
Der Weltkirchenrat will sich auf seiner zehnten Vollversammlung in Südkorea vom 30. Oktober bis 8. November mit den globalen Krisenherden, dem Klimawandel und der politischen Teilung des asiatischen Landes beschäftigen. "Der Ökumenische Rat der Kirchen ist keine bessere UNO", sagte der Kasseler Bischof und Ökumenefachmann Martin Hein dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dennoch könne das Treffen von Christen aus allen Kontinenten in der südkoreanischen Hafenstadt Busan zur Lösung von Konflikten einen Beitrag leisten. Hein ist Mitglied im ÖRK-Zentralausschuss, der den Weltkirchenrat zwischen den Vollversammlungen leitet.
28.10.2013
epd
Stephan Cezanne

Die ÖRK-Vollversammlung, das höchste Gremium des mehr als 500 Millionen Mitglieder zählenden Weltkirchenrates, kommt etwa alle sieben Jahre zusammen. Nach Harare (Simbabwe) 1998 und Porto Alegre (Brasilien) 2006 tagen die Delegierten aus rund 350 Mitgliedskirchen ab Ende Oktober in Südkorea. Herr Bischof Hein, welche Rolle spielt dieser Ort für die Tagung?

###mehr-personen### Hein: Ich erwarte Großes von der zehnten ÖRK-Vollversammlung. Es ist eine ganz besondere Situation in Korea. Zum einen haben wir es mit einem hoch entwickelten Land zu tun. Gleichzeitig sind die christlichen Kirchen in den letzten Jahrzehnten dort eminent gewachsen und haben damit eine ganz andere Erfahrung als wir hier in Europa.

Zum anderen haben wir es mit einem politisch geteilten Land zu tun, bei dem die politischen Gegensätze so hart aufeinanderprallen wie sonst nirgends mehr in der Welt. Insofern passt die Tagungslosung "Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden" in den konkreten koreanischen Zusammenhang sehr gut hinein. Als deutsche Teilnehmer können wir zudem einige Erfahrungen mit Blick auf einen friedlichen Wandel von zwei unterschiedlichen Systemen beitragen.

Auch angesichts der vielen anderen Krisenherde, mit denen wir es gegenwärtig zu tun haben, ist das Tagungsmotto hochaktuell. In Busan soll es daher um die Entwicklung einer Vision des gerechten Friedens gehen.

Wie kann der ÖRK die Staatengemeinschaft in ihrem Einsatz für Frieden unterstützen, etwa was den Krisenherd Syrien angeht?

Hein: Der Ökumenische Rat der Kirchen ist keine bessere UNO. Wir sehen ja, mit welchen Problemen die Weltgemeinschaft angesichts der unterschiedlichen Krisen in der Welt zu kämpfen hat. Was wir aber können, ist auf die Kraft Gottes zu vertrauen und damit die Herzen der Menschen zu verändern. Das müssen wir in den Mittelpunkt stellen. Dann wird auch unser politisches Zeugnis erkennbar sein.

Die ÖRK-Vollversammlung 1998 in Simbabwe stand im Schatten der Spannungen zwischen orthodoxen und protestantischen Kirchen um die Reizthemen Frauenordination und Homosexualität. Auf der Vollversammlung 2006 in Brasilien spielten die negativen Folgen der Globalisierung eine zentrale Rolle. Was wird auf der Tagung in Südkorea im Zentrum stehen?

Hein: Besonders die deutsche Delegation ist daran interessiert, das Thema Klimawandel stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Ob sich das in Busan durchsetzen wird, kann ich nicht einschätzen. Aber auch aus geistlichen Gesichtspunkten heraus wäre das ein Ausdruck der Solidarität mit jenen, deren Lebensgrundlage durch die Erderwärmung existenziell bedroht ist. Das hat etwas mit dem Thema Gerechtigkeit zu tun. Eine andere Frage unter vielen wird sein, wie sich der ÖRK zu den weltweit rasch wachsenden charismatischen Kirchen und Bewegungen verhält.

"Es geht darum, dass wir als gesamte Christenheit gemeinsame Schritte gehen"

Um den Weltkirchenrat war es in letzter Zeit still geworden. Einige sprechen sogar von Bedeutungsverlust. Vor allem die große Präsenz von Papst Franziskus macht es anderen Kirchen oft schwer, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Kann das Treffen in Busan dem ÖRK - der zentralen Stimme der nicht-katholischen Christenheit - mehr Gewicht verleihen?

###mehr-artikel###Hein: Die römisch-katholische Kirche gehört nicht zum Weltkirchenrat. Wir definieren uns aber keineswegs als nicht-katholisch, das ist mir sehr wichtig. Es geht vielmehr darum, dass wir als gesamte Christenheit gemeinsame Schritte gehen.

Man hat den Eindruck, der Weltkirchenrat habe sich in den vergangenen Jahren vor allem mit sich selbst beschäftigt. Könnte Busan eine Wende einleiten?

Hein: In den sieben Jahren seit der Vollversammlung im brasilianischen Porto Alegre haben wir uns tatsächlich sehr stark mit uns selbst befasst. Diese Zeit war aber nötig, um den Weltkirchenrat in seiner gesamten Einrichtung auf festere Füße zu stellen. Dies war mit schmerzhaften Einschnitten und Kürzungen verbunden. Jetzt hat der ÖRK die Voraussetzungen, wieder deutlicher seine Stimme im Blick auf die unterschiedlichen Herausforderungen in der Welt zu erheben.

Daher erwarte ich viel von der kommenden ÖRK-Vollversammlung in Busan. Erstens erwarte ich wenige, aber dafür klarere Worte. Ich erwarte mir zweitens von den rund 350 Mitgliedskirchen mehr Verbindlichkeit gegenüber dem, was wir beschlossen haben. Drittens erhoffe ich, dass wir nicht zu bescheiden sind, sondern Großes von Gott erwarten.

Der Umgang mit der Homosexualität hatte in der Vergangenheit im Weltkirchenrat immer wieder zu Konflikten geführt. Zumeist liberale europäische Protestanten auf der einen und konservative russische Orthodoxe sowie afrikanische Lutheraner auf der anderen Seite stehen sich unversöhnlich gegenüber. Wird das Thema in Busan eine Rolle spielen?

Hein: Ich habe den Eindruck, das Thema Homosexualität wird eher am Rande vorkommen. Allerdings muss dieses Thema ernsthaft bedacht werden. Man darf es nicht von vornherein ausschließen, indem es eine Allianz von Afrikanern und Orthodoxen vom Tisch wischt. Ich bin immer dafür, auch kontroverse Themen offen zu debattieren. Das hält der Weltkirchenrat aus.

"Die Verbindlichkeit innerhalb des Weltkirchenrates muss auch finanziell zum Ausdruck kommen"

Der ÖRK wird seit Jahren auch durch eine Finanzkrise belastet. Während westeuropäische, skandinavische und US-amerikanische Kirchen einen Großteil des Etats beisteuern, hatten einige Mitgliedskirchen oft gar keine Beiträge entrichtet.

Hein: Im ÖRK heißt es: We stay together, we pray together and we pay together (d.Red.: Wir stehen zueinander, wir beten und zahlen auch zusammen). Daran wird man einige Mitgliedskirchen in Busan erinnern müssen. Die Verbindlichkeit innerhalb des Weltkirchenrates muss auch finanziell zum Ausdruck kommen.

Können sich die ökumenischen Partner auch in Zukunft auf das große finanzielle Engagement der evangelischen Kirchen in Deutschland verlassen?

Hein: Zwar wurde hier gekürzt. Es gibt aber einen Sockelbetrag, der nicht unterschritten werden darf. Dafür hat sich besonders der EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte stark gemacht. Interessant in diesem Zusammenhang ist: Weil auch andere Mitgliedskirchen ihre Beiträge zurückgefahren haben, ist der Beitrag der Evangelischen Kirche in Deutschland prozentual gestiegen, obwohl wir insgesamt weniger bezahlen.

Welchen Rat würden Sie den ÖRK-Delegierten für die Tagung in Busan geben?

Hein: Tue weniger, das aber besser. Insgesamt lebt der Weltkirchenrat nicht nur von Papieren und Resolutionen, sondern vor allem durch menschliche Begegnungen.