Diskussion über Flüchtlingspolitik nach Unglück vor Lampedusa

Foto: dpa/Nino Randazzo
Diskussion über Flüchtlingspolitik nach Unglück vor Lampedusa
Nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), die Bundesregierung zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aufgefordert.

"Es ist eine Schande, dass die EU Italien mit dem Flüchtlingsstrom aus Afrika so lange allein gelassen hat", sagte Schulz der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), rief zu einer neuen Haltung gegenüber Flüchtlingen in Europa auf.

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"Wir sind viel zu abwehrend, wir sind viel zu herabwürdigend gegenüber Flüchtlingen", sagte Löning dem Sender hr-Info. Zugleich forderte er mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten nach Europa: "Wir müssen uns insgesamt offener zeigen, und auch mehr auf Humanität setzen", sagte der Beauftragte der Regierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Löning kritisierte die Haltung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Friedrich hatte gefordert, die Lage der Menschen in den Herkunftsländern zu verbessern und härter gegen Schleuserbanden vorzugehen. Löning nannte die Strategie, die Lebensbedingungen zu verbessern "wohlfeil". Weder in Eritrea noch in Somalia habe die Bundesregierung Einfluss.

Zum Vorschlag Friedrichs, gegen Schleuserkriminalität vorzugehen, sagt Löning: "Natürlich müssen wir Schlepperkriminalität bekämpfen, aber der Druck wird weiter bestehen, und solange dieser Druck da ist, werden wir, wenn wir nicht Ventile öffnen für eine vernünftige, geregelte Zuwanderung nach Europa, weiter mit Schlepperkriminalität leben müssen."

EU-Parlamentspräsident: Deutschland muss mehr Flüchtlinge aufnehmen

EU-Parlamentspräsident Schulz forderte, die Flüchtlinge müssten in Zukunft gerechter auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. "Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss", betonte der Sozialdemokrat. Über eine gerechtere Verteilung der Lasten müssten die EU-Staaten auf ihrem Gipfel in Oktober in Brüssel beraten, sagte Schulz.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte der Zeitung, die Katastrophe von Lampedusa zeige, wie wichtig Entwicklungspolitik für bessere Chancen der Menschen in ihren Heimatländern sei. Die Tragödie "zeigt aber auch, dass wir eine gemeinsame europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik brauchen".

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder (CDU), forderte mehr Unterstützung für Afrika: "Wir werden die Grenzen Europas niemals hundertprozent schließen können. Deshalb müssen wir vor allem den Menschen in Afrika mehr helfen", sagte Mißfelder der Zeitung.

Am vergangenen Donnerstag war ein Flüchtlingsschiff mit rund 500 Menschen an Bord vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa in Brand geraten und anschließend gekentert. Nach einem Bericht des britischen Senders BBC wurden bislang 194 Leichen geborgen. 155 Flüchtlinge überlebten das Unglück. Die meisten Flüchtlinge stammten nach UN-Angaben aus Eritrea.