Wahlforscher: Distanz zwischen Wählern und Politik ist gewachsen

Wahlforscher: Distanz zwischen Wählern und Politik ist gewachsen
Ursache für die sinkende Beteiligung an Bundestagswahlen ist nach Ansicht des Wahlforschers Daniel Gardemin eine wachsende Distanz zwischen Wählern und Politikern.
11.09.2013
epd
Stefan Korinth

"Politische Repräsentanten und Durchschnittsbürger verstehen sich nicht mehr", sagte der hannoversche Politologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Teil der Wahlberechtigten enthalte sich deshalb bei Bundestagswahlen aus Protest der Stimme: "Das ist eine sehr problematische Entwicklung."

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Gerade in unteren und mittleren Gesellschaftsschichten seien viele Menschen überzeugt, dass sich die Politik nicht mehr für ihre Belange interessiere. In Stadtteilen mit vielen Arbeitslosen und Migranten sei der Anteil an Nichtwählern entsprechend hoch: "Sie fühlen sich nicht repräsentiert", unterstrich der Sozialwissenschaftler der Leibniz Universität. In den oberen Gesellschaftsmilieus sei die Wahlbeteiligung hingegen weiterhin hoch.

Diese Verdrossenheit über Politiker dürfe jedoch nicht mit politischem Desinteresse bei den Betroffenen verwechselt werden. Zwar seien zehn bis 20 Prozent aller Wahlberechtigten politisch nicht aktivierbar, die restlichen Nichtwähler hätten für ihre Stimmenthaltung aber politische Motive. Sie wählten ihre Stammpartei aus Enttäuschung nicht, gäben ihre Stimme aus Loyalität aber auch keiner anderen Gruppierung. "Der Anteil dieser Nichtwähler ist bei den letzten Wahlen beständig gewachsen", erläuterte der Dozent.

Vor allem die großen Volksparteien hätten mit dem Problem zu kämpfen. Neben dem Verlust an Wählern mache ihnen zusätzlich noch der Mitgliederschwund zu schaffen. Dies habe teilweise demografische Gründe, liege aber ebenfalls am Gefühl fehlender Repräsentation. "Die Parteien haben sich immer weiter akademisiert", sagte Gardemin. Damit hätten sie sich der "einfachen Bevölkerung" verschlossen. Dass es im Bundestag kaum noch Politiker aus nichtakademischen Berufen gebe, sei ein Beleg dafür.

Als Protestmittel wirke Wahlenthaltung jedoch kaum, da sie für die Sitzverteilung in Parlamenten keine Rolle spiele: "Protest-Nichtwähler bringen den Rhythmus der Parteien nicht durcheinander." Gardemin erwartet keine Steigerung der Wahlbeteiligung im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2009. Damals lag sie bei knapp 71 Prozent.