Ukrainischer Bischof kritisiert Korruption

dpa/Sergey Dolzhenko
Aus Protest gegen die Haftbedingungen ist Julia Timoschenko seit Tagen im Hungerstreik
Ukrainischer Bischof kritisiert Korruption
Fünf Wochen vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft reißt die Kritik an der Ukraine nicht ab. Der evangelische Bischof der Ukraine, Uland Spahlinger, wirft dem Land Heuchelei und Korruption vor.
26.04.2012
epd
Christiane Ried

Der evangelische Bischof der Ukraine, Uland Spahlinger, hat die Korruption in der Ukraine kritisiert. "Das gesamte System ist von Heuchelei und Korruption durchsetzt", sagte Spahlinger dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Einige wenige Oligarchen und ihre Hintermänner bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit und sichern das auch noch gesetzlich ab." Spahlinger ist Pfarrer der bayerischen Landeskirche und Bischof der Deutsch-Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine mit Sitz in Odessa.

Seit er in der Ukraine lebe, lerne er die klare Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative, wie sie Deutschland herrscht, noch einmal neu schätzen, sagte Spahlinger. Der Theologe hält die Inhaftierung der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko für eine "ganz schlimme Sache". Er könne sich aber durchaus vorstellen, dass die 51-Jährige gegen geltendes Recht verstoßen habe: "Wenn das so ist, muss sie sich dafür in einem fairen und transparenten Verfahren verantworten."

Faires Verfahren für Timoschenko

Die pro-westliche Oppositionsführerin Timoschenko wurde im Oktober 2011 in einem als politisch motiviert kritisierten Prozess wegen Amtsmissbrauch zu sieben Jahren Haft verurteilt. Fragwürdige Haftbedingungen und mangelnde medizinische Betreuung rufen immer wieder Menschenrechtler auf den Plan. Seit kurzem läuft gegen die Anführerin der Orangenen Revolution von 2004 ein zweites Verfahren.

Aus Protest gegen die Haftbedingungen befindet sich Timoschenko seit Tagen im Hungerstreik. Unterstützung erfährt sie derzeit auch von deutscher Seite: Bundespräsident Joachim Gauck hat seinen für Mai angesetzten Besuch in der Ukraine abgesagt. Zahlreiche Politiker erwägen außerdem aus Sorge um den Gesundheitszustand Timoschenkos einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft, die vom 8. Juni bis 1. Juli in Polen und der Ukraine stattfindet.

Gauck sagt Ukraine-Reise ab

Dass die Ukraine vor diesem Hintergrund ein sportliches Großereignis austragen darf, findet Spahlinger nicht verwerflich: Dann könne man über viele Austragungsländer von großen Sportereignissen diskutieren, außerdem seien die Fußballverbände UEFA und FIFA auch keine "Vereinigungen von Saubermännern". Besonders FIFA-Präsident Joseph Blatter steht seit längerem unter Korruptionsverdacht.

Spahlinger erhofft sich von der Fußball-EM "eine Phase entspannter Freundlichkeit und Freiheit in einem Land, das vom Westen politisch nicht sehr freundlich betrachtet wird." Umgekehrt sei auch die Ukraine dem Westen derzeit politisch nicht sonderlich gut gesonnen.