Hilfswerke kritisieren soziale Ausgrenzung von Arbeitslosen

Hilfswerke kritisieren soziale Ausgrenzung von Arbeitslosen
Langzeitarbeitslose werden nach Darstellung von Sozialverbänden nicht genügend unterstützt, sondern vielmehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

"Es gibt eine Zwei-Klassen-Arbeitsmarktpolitik", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Die Jobcenter kümmerten sich vor allem um gut qualifizierte Arbeitssuchende und hielten für Langzeitarbeitslose kaum Möglichkeiten bereit. "Die Menschen werden nicht aktiviert, sondern immer weiter ausgegrenzt, nach dem Motto: Du hast versagt", sagte Schneider. Die Diakonie forderte, Hartz-IV-Empfänger zu Engagement zu ermutigen, anstatt sie mit Sanktionen zu bestrafen.

Nach einer aktuellen Studie der Universität Jena treibt die Hartz-IV-Reform Arbeitslose in die Passivität. Der Soziologe Klaus Dörr, einer der Autoren der Studie, kritisiert zudem, dass Betroffene als faul abgestempelt würden. Sie zögen sich dadurch immer mehr aus der Gesellschaft zurück, heißt es in der im Mai veröffentlichten Untersuchung.

Umdenken in der Arbeitsmarktpolitik

"In Hartz IV zu fallen, bedeutet brutale Ausgrenzung", sagte auch Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Arbeitslose hätten kein Geld mehr, um sich in Sportverein oder Kegelclub zu engagieren. "Noch schlimmer ist für die Betroffenen, dass sie als faul stigmatisiert werden", sagte der Geschäftsführer des Sozialverbandes.

Besonders Menschen aus den unteren Einkommensschichten würden "aus psychischem Selbstschutz auf diejenigen einhacken, die auf der Hühnerleiter noch eine Sprosse unter ihnen sitzen". Politiker setzen Vorurteile gegen Arbeitslose nach Schneiders Ansicht zum Teil gezielt ein. "Indem sie sagen: 'Die sind selbst schuld', nehmen sie die Politik aus der Verantwortung."

Auch die Diakonie fordert ein Umdenken in der Arbeitsmarktpolitik. "Die Ermutigung der Betroffenen und nicht die Kontrolle muss im Vordergrund stehen", sagte Diakonie-Armutsexperte Michael David dem epd. Das evangelische Hilfswerk befragte in den vergangenen zwei Jahren 110 Beratungsstellen zur Situation von Hartz-IV-Empfängern. Demnach sehen Arbeitslose Hartz IV nicht als Unterstützung, sondern haben eher Angst davor, die Leistung in Anspruch zu nehmen. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die Anfang Juli bekannt wurde, beantragen zwischen drei und fünf Millionen Menschen kein Hartz IV, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Gründe sind demnach oft Scham oder Unwissenheit.

Investitionen in Höhe von etwa fünf Milliarden Euro nötig

Nach Ansicht von David liegt die Angst von Arbeitslosen vor Hartz IV insbesondere an den Sanktionen, die ihnen drohen, wenn sie etwa Arbeitsstellen ablehnen oder Termine im Jobcenter verpassen. Gerade jüngeren Arbeitslosen könne die Grundsicherung schnell ganz gestrichen werden. "Es muss einen Grundbestand an Leistungen geben, der nicht gekürzt werden darf", forderte David. Die Mitarbeiter in den Jobcentern hätten aber selbst kaum Spielraum, weil die gesetzlichen Vorgaben sehr streng seien.

Die Befragung der Beratungsstellen habe gezeigt, dass viele Arbeitslose aktiv seien und sich engagieren wollten, sagte der Diakonie-Experte. Er regte an, dass die Ämter etwa bei ehrenamtlichem Engagement Fahrtkosten übernehmen könnten. Daneben sei auch mehr Sozialberatung, etwa zum Umgang mit Schulden, nötig. Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband forderte passgenauere Hilfen für Langzeitarbeitslose wie mehr öffentlich geförderte Beschäftigungsmöglichkeiten. Dazu seien Investitionen in Höhe von etwa fünf Milliarden Euro nötig.