Thailands Buddhismus in der Krise

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Thailands Buddhismus in der Krise
Luang Pu Nenkham ist stolzer Besitzer eines Privatjets. 22 Mercedes Benz und rund 50 andere Autos hat er auch und die Bankkonten sind prall gefüllt. Der Thailänder mit einem Faible für Luxus und Designerware ist nicht etwa ein steinreicher Unternehmer, der es gerne krachen lässt. Der Mann, der mit einer minderjährigen Frau einen inzwischen elf Jahre alten Sohn gezeugt und zudem mehrere Geliebte haben soll, ist vielmehr ein buddhistischer Abt, bekannt und populär unter seinem Mönchsnamen Phra Weerapol Sukpol.

Das Luxusleben des frommen Mannes kam Mitte Juni durch ein Video auf Youtube mit dem flotten Abt am Steuer seines Privatjets an die Öffentlichkeit. Seitdem vergeht kein Tag, an dem Thailands Medien nicht mit neuen Enthüllungen über das ganz und gar unbuddhistische Lotterleben des Phra Weerapol Sukpol aufwarten. Den Mönch ficht der Skandal nicht an. Als das Youtubevideo auftauchte, hielt er sich zu einer Vortragsreise in Frankreich auf, wo er in seiner eigenen Villa residierte. Inzwischen soll er Frankreich verlassen haben und in die USA gereist sein.

Profit statt Buddhismus

Phra Weerapol Sukpol ist kein Einzelfall. Immer wieder sorgen in Thailand buddhistische Mönche aus den falschen Gründen für Schlagzeilen. Sie trinken, sie spielen, sie veruntreuen Spendengelder, sie frönen dem Konsumerismus, lieben den Sex. Viele Mönche und Klöster haben sich statt Buddha dem Profit verschrieben. Sie betätigen sich als Wahrsager, verkaufen Wunderamulette mit Bildnissen berühmter Mönche, lassen sich für (pseudo)religiöse Zeremonien mieten, treten gegen satte Honorare als Redner im Westen auf oder behaupten - wie der Privatjetmönch - über übernatürliche Kräfte zu verfügen.

Erst in der vergangenen Woche wurden nach einer Razzia in Tempeln und Klöstern in thailändischen Provinz Saraburi mehr als 30 Mönche wegen Drogenkonsums exkommuniziert. Mano Mettanando Laohavanich, Dozent an der Thammasat Universität in Bangkok, klagt: "Der thailändische Sangha (buddhistische Gemeinschaft) ist wegen der schlechten Ausbildung der Mönche schwach. Statt die Schriften zu studieren wurden die Mönche Astrologen und Amuletthersteller."

###mehr-artikel###Für Laohavanich, der selbst lange Jahre ein Mönch war bevor er aus freien Stücken die gelbe Robe ablegte, ist die Sache klar: "Würde Buddha noch leben, würde er solche Mönche verurteilen." Die Mehrheit der Äbte und Mönche in Thailand lebe nicht mehr nach den 227 Regeln, die Buddha für das klösterliche Leben aufgestellt habe. Dadurch hätten sie weitgehend ihre Rolle als Vorbilder für soziale Ethik und traditionelle Quelle der Weisheit verloren. "In Thailand setzt sich derzeit eine Lehre durch, die den Führer, den Abt, höher stellt als den Buddha. Der Abt wird als Reinkarnation des Buddha gesehen. Äbte werden gottgleich. Der wirkliche Buddhismus hingegen ist sehr bescheiden und äußerst selbstlos. Es gibt keinen Gott."

Nur bedauerliche Einzelfälle?

Für Sivaraksa gibt es einen Buddhismus mit einem großem B und einem mit einem kleinen b. Der in Bangkok lebende buddhistische Philosoph und Sozialkritiker erklärt: "Der mit dem kleinen b folgt den Lehren Buddhas der Gewaltlosigkeit und Bescheidenheit. Buddhismus mit einem großen B ist dem Kapitalismus und dem Nationalismus verbunden. Wenn Buddhismus, wie hier in Thailand, institutionalisiert wird, dann ist schnell die Verbindung zu Staat, Macht und Nationalismus hergestellt."

Über das Vergehen von Mönchen berichten Thailands Medien zwar, aber in der Darstellung kamen sie bisher meist als bedauerliche Einzelfälle rüber. Das ist anders im Fall des Phra Weerapol Sukpol. War es bisher die kleine Gemeinschaft  intellektueller buddhistischer Denker und Freigeister wie Laohavanich oder Sivaraksa, die die "Systemfrage" stellten, nehmen jetzt auch Medien wie die englischsprachige Tageszeitung Bangkok Post die Entwicklung des thailändischen Buddhismus ins Visier. "Sangha must face up to sorry state of clergy - Der Sangha muss sich dem beklagenswerten Zustand des Klerus stellen" überschrieb jüngst die Bangkok Post einen Kommentar.

Jeder muss Verantwortung übernehmen

Der Sangha Supreme Council ist das höchste Gremium des hierarchisch organisierten thailändischen Buddhismus. Ihm gehören 22 Mönche an, von denen der jüngste Ende 50, die Mehrheit im Alter zwischen 70 und 99 Jahren ist. Durch ein 1902 erlassenes Gesetz ist der Rat vom Staat abhängig und die Mitgliedschaft wird durch das Senioritätsprinzip bestimmt. Laohavanich klagt: "Der Sangha ist gegen Moderne und Modernisierung. Es gibt Äbte, die verteufeln Englisch als okkulte Wissenschaft und verbieten den Mönchen, Englisch zu lernen."

"Es ist ein offenes Geheimnis, dass das System zu antiquiert ist, um Menschen mit Qualitäten für diese Institution auszuwählen - Gelehrte oder solche, die wirklich das Dhamma studieren oder einem beistehen wollen, die Erleuchtung zu erlangen", schreibt Ploenpote Atthakor in seinem Bangkok-Post-Kommentar, den er mit der Forderung schließt: Wenn der Hinterhof eines Hauses schmutzig ist, müsse jedes Mitglied des Haushalts Verantwortung übernehmen und sich am Saubermachen beteiligen. Der Sangha Supreme Council sei da keine Ausnahme. Soch das Gremium hat sich bisher nicht zu dem Fall des Luxusmönchs geäußert.

Keine Reformen für den thailändischen Buddhismus

Wie die ganze thailändische Gesellschaft sind auch die Mönche politisch polarisiert. Die einen stehen auf der Seite der "Rothemden", wie sich die Anhänger des durch einen Militärputsch gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra nennen. Die anderen unterstützen die "Gelbhemden", also jene Kräfte des thailändischen Establishments, die den im Exil lebenden Thaksin gestürzt haben. Da bleibt kaum Energie und Kraft über eine Reform des thailändischen Buddhismus nachzudenken.

Sivaraksa setzt sich seit vielen Jahren für einen modernen Buddhismus ein, der sich auf den Kern der Lehren des Buddha besinnt, die Ordinierung von Frauen zulässt, Laien eine größere Rolle einräumt und gleichzeitig sozial engagiert ist. Der Gründer des Internationalen Netzwerks engagierter Buddhisten (INEB) selbst steht in Thailand einer Gruppe aus Laien und Mönchen nahe, die sich "Spiritual Education Movement" nennt, die aber nur etwa dreihundert Mitglieder hat. Im Vergleich: es gibt mehr als 50 000 Mönche in Thailand. Die Zahl geht gar nahe 300 000, wenn man all jene Männer hinzurechnet, die auf Zeit – für ein paar Tage, für ein paar Wochen – ins Kloster gehen.

Unterdessen sind thailändische Behörden Abt Phra Weerapol Sukpol weiter auf den Fersen. Das Amt für Buddhismus ermittelt. Die Behörde gegen Geldwäsche hat sich eingeschaltet. Die Rajabhat University in Udon Thani erwägt die Aberkennung der 2010 an den Mönch verliehenen Ehrendoktorwürde. Das Finanzamt verdächtigt den Mann der Steuerhinterziehung. Über diplomatische Kanäle will Thailand erreichen, dass das US-Visum des Mönchs für ungültig erklärt wird.  Die Mutter des 11-jährigen Jungen hat Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs erstattet. Gegenüber thailändischen Medien sagte die namentlich nicht bekannte Frau, der Mönch habe sie als dreizehnjährige ein Jahr regelmäßig für sexuelle Dienstleistungen benutzt. Die Behauptung des Mönchs, nicht er sondern sein Bruder habe ein Verhältnis mit dem Mädchen gehabt, wies sie kategorisch zurück.