TV-Tipp des Tages: "Gier" (Arte)

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TV-Tipp des Tages: "Gier" (Arte)
TV-Tipp des Tages: "Gier", 30. Juni, 20.15 Uhr auf Arte
Die Gier nach Macht, Freundschaft, Anerkennung und Liebe steht im Zentrum von Dieter Wedels TV-Zweiteiler. Erzählt wird die Geschichte am Beispiel des betrügerischen Hochstaplers Dieter Glanz und seiner Entourage aus Schönen und Reichen.

Allenfalls finstere Pessimisten können von sich behaupten, schon 2005 geahnt zu haben, dass die Welt wenige Jahre drauf von einer Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes erfasst werde. Dieter Wedel ist zwar kein Prophet, hat aber ein bemerkenswertes Gespür für Themen, die in der Luft liegen, und konnte deshalb schon frühzeitig den Film zur Krise präsentieren.
Nach seinem Kommentar zum Gesundheitssystem ("Mein alter Freund Fritz") und dem Trennungsdrama "Papa und Mama" konzentriert sich der Autor und Regisseur mit "Gier" auf einen Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch sein filmisches Schaffen zieht. Ganz gleich, ob es um Hausbau, Politik, Scheidung oder um einen Kiezkönig ging: Schmiermittel der Geschichten war immer das Geld. Schon 2002 galt eine der vielen Erzählebenen des Sechsteilers "Die Affäre Semmeling" der Verstrickung eines unbescholtenen älteren Ehepaars in ein dubioses Anlagegeschäft. In "Gier" geht es um nichts anderes.

Wider jede Vernunft

Im Zentrum der Geschichte steht der charismatische Finanzmakler Dieter Glanz, der Gläubiger um sich schart wie ein Sektenführer Anhänger: Obschon die Geldgeber wider jede Vernunft handeln und sich durch immer absurdere Versprechungen vertrösten lassen, erfüllen sie seine Forderungen selbst dann noch, als Dieters Glanz offenkundig nur noch schöner Schein und Midas längst als Scharlatan entlarvt ist. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eines kleinen Immobilienmaklers, der ebenfalls der Verlockung des Geldes erliegt und auf diese Weise nicht nur sich, sondern auch Eltern, Freunde und selbst seinen Zahnarzt um ihre Ersparnisse bringt.

Natürlich kennt Wedel Oliver Stones mittlerweile auch schon über 25 Jahre altes Meisterwerk "Wall Street" mit Michael Douglas als skrupellosem Börsenmakler Gordon Gekko. Hier wie dort geht ein junger Mann einen Faustischen Pakt ein. Doch während Gekko vor allem durch seine Diabolik faszinierte, ist Dieter Glanz ein durchaus sympathischer, lebensfreudiger Mensch, der sich schließlich sogar überzeugend als Opfer des grenzenlosen Vertrauens seiner Anhänger darstellt. Das System, mit dessen Hilfe sein fragiles Konstrukt funktioniert, erinnert an die Machenschaften des Milliardenbetrügers Bernard L. Madoff. Und selbst wenn sich der Film der Form halber ausdrücklich von realen Vorbildern distanziert ("lediglich nachempfunden"): Dieter Glanz ist unschwer als Jürgen Harksen zu erkennen, jenem Betrüger, der sich Ende der Achtziger bei gutgläubigen Privatinvestoren 150 Millionen Mark erschwindelte. Wedel macht auch gar keinen Hehl daraus: Wie Harksen, so hat Glanz einst als Gerichtsvollziehergehilfe angefangen; wie jener, so gaukelt auch dieser seinen Kunden eine Rendite von 1300 Prozent vor.

Ulrich Tukur, schon Hauptdarsteller in "Mein alter Freund Fritz", ist eine prächtige Besetzung für die Rolle des Hochstaplers: Leichtfüßig tänzelt Glanz durch die verhängnisvollen Entwicklungen, die er selbst verursacht hat, eher ein Getriebener als ein Schurke; in stillen Momenten erschrickt er sogar selbst über das, was er angerichtet hat. Seine Ideen sind mal genial, mal schlichte Taschenspielertricks; vor allem aber ist er ein begnadeter Bluffer. Um dieses Zentralgestirn gruppiert Wedel ein wie üblich verschwenderisch besetztes Ensemble (unter anderem Uwe Ochsenknecht, Kai Wiesinger, Katharina Wackernagel, Sibel Kekilli sowie Wedels Stammspieler Heinz Hoenig), aus dem Devid Striesow als Zauberlehrling herausragt: Andy Schroth erliegt zwar allen möglichen fleischlichen Genüssen (darunter auch seine schöne Schwägerin), bewahrt sich aber aller Verblendung zum Trotz in dieser Welt des schönen Scheins eine gewisse Unschuld. Das rettet ihn allerdings nicht davor, nacheinander Anstellung, Haus und Gattin zu verlieren.

###autor###

Während der erste Film mit Schauwerten und Szenenwechseln nur so protzt, inszeniert Wedel Teil zwei als rasenden Stillstand: Glanz ist nach Südafrika geflohen. Sein Gefolge folgt ihm wie ein Kometenschweif und vertreibt sich das Warten auf die versprochene unmittelbar bevorstehende Ausschüttung mit einer Dauerparty; ein Tanz auf dem Vulkan. Arte zeigt beide Teile am Stück.