Herr Fricke verspricht: Der Euro ist sicher

Foto: Bernd Brudert, Montage: Linde Köhne
Herr Fricke verspricht: Der Euro ist sicher
Otto Fricke (47) ist ein vielbeschäftigter Mann auf dem Berliner Parkett: Der Rechtsanwalt, der seit 2002 der FDP-Bundestagsfraktion angehört, ist unter anderem einer der vier Parlamentarischen Geschäftsführer seiner Fraktion, Mitglied des Haushaltsausschusses und Schatzmeister der Liberalen.

Außerdem ist er Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und stellvertretender rheinischer Synodaler. Trotzdem hat er die Einladung zum Frühstück im Cafe Einstein – wo er wie alle einflussreichen Politiker kein Unbekannter ist – gern angenommen. Ein paar Minuten Verspätung entschuldigt er mit dem Hinweis, er habe  noch mit seinem Sohn vor der Schule telefonieren müssen. Fricke, der vom Niederrhein stammt und dort auch weiterhin beheimatet, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Engagierter Protestant

Warum ist die FDP so kirchenkritisch? "Stimmt ja nicht", sagt der engagierte Protestant Fricke, obwohl er einräumt, dass das Papier von der freien Kirche im freien Staat aus den 1970er Jahren der Partei nach wie vor wie ein Klotz am Bein hängt: "Dabei ist es längst außer Kraft gesetzt." Dass immer mal wieder Stimmen in der Partei laut werden, die eine strikte Trennung von Staat und Kirche fordern, ist aus seiner Sicht für eine liberale Partei normal. Dabei will er erst gar nicht an Friedrich Naumann, den Pfarrer, an Otto Graf Lambsdorff, den brandenburgischen Ehrendomherrn, oder an Edzard Schmidt-Jortzig, den ehemaligen Bundesjustizminister und EKD-Synodalen, erinnern.

###mehr-personen###Mit Stolz verweist Fricke auf die große Zahl engagierter Christen in der Bundestagstagsfraktion, angefangen von Parteichef und Vizekanzler Philipp Rösler, der dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört. Freilich gebe es auch zahlreiche Mitglieder in Fraktion und Partei, die mit Glauben nichts anfangen könnten. Eine weitere Gruppe halte den Glauben für die Privatsache eines jeden einzelnen. Fricke, der mit der Tochter eines Oberkirchenrates verheiratet ist: "Das halte ich persönlich für falsch." Und er fügt hinzu: "Außerdem müssen wir anerkennen, was die Kirchen leisten."

Sein Schwiegervater ist Oberkirchenrat

Seit einiger Zeit beschäftigt die Politik das Thema Staatsleistungen, das seinen Ursprung in der Säkularisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat. Als Mitglied des Bundestags-Haushaltsausschusses hat er bei diesem Thema gewissermaßen zwei Seelen in der Brust. Auf der einen Seite möchte er das Thema gern vom Tisch haben, auf der anderen aber weiß er, dass der Staat gar nicht das Geld hat, die Staatsleistungen abzugelten. Auch fürchtet er, dass in der Folge einer solchen Ablösung auch die Seelsorge ökonomisiert wird. "Wollen wir dies?" fragt er und nennt als Beispiel von vielen die kirchlichen Friedhöfe. Das Verhältnis von Glaube und Staat, so sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete, "lässt sich nut mit Verstand lösen".

Otto Fricke wäre kein Liberaler, wenn er das Thema Verantwortung ausklammern würde. Für ihn steht fest, dass jeder sich selbst helfen muss, "bevor er an Gottes Hilfe appelliert". Und von seiner Frau hat er gelernt, dass der Mensch nicht für sich allein glauben kann, sondern immer auch auf Gemeinschaft abgewiesen ist. Deshalb ist auch die Kirche für ihn sehr wichtig. Immer mehr Menschen meinen aber, die könnten ohne Kirche auskommen und dennoch mit ihrem Glauben zurecht kommen. Das bezweifelt Fricke. Und bereits als junger Mensch hat er in Gesprächen mit seinem Pfarrer gelernt, "dass Glaube nicht nur bitten, sondern auch danken ist".

###mehr-artikel###Und plötzlich wird Fricke ganz persönlich: "In meinem Leben ist bisher alle sehr gut gelaufen." Von der Kindheit bis zum Wehrdienst, den er bei der Luftwaffe ableistete. Vom Studium der Rechtswissenschaft bis zum beruflichen Erfolg. Von seiner Zeit als Mitarbeiter der NRW-Landtagsfraktion bis zu seinem Bundestagsmandat (seit 2002). Gleiches gilt für sein hohes Ansehen in der FDP, deren Schatzmeister er seit 2012 ist. Irgendwie scheinen für dieses Amt die Protestanten bei den Liberalen prädestiniert zu sein. Denn auch die ehemalige Bauministerin, Irmgard Schwaetzer, war zu ihrer aktiven FDP-Zeit Bundesschatzmeisterin. Und von seinem Familienglück will Fricke erst gar nicht reden: "Wohin soll ich mit meinem Dank für all das, wenn ich nicht glaube?" fragt er sich mehr selbst als seinen Gesprächspartner.

Als Christ wollte sich der Freiburger Jurastudent auch politisch betätigen, allerdings erst sein Studium abschließen. War die FDP die Partei der ersten Wahl? "So kann man das nicht sagen", antwortet Fricke. "Ich habe mir alle demokratischen Parteien genau angeschaut." Doch bereits in Freiburg, in seiner Studentenzeit, findet er zur FDP. Besonders die von dieser Partei propagierte "Freiheit zur Verantwortung" hatte es ihm angetan. Und das gilt noch immer. Die Freiheit hat nach wie vor bei Fricke einen großen Stellenwert. Das schließt aber die soziale Verantwortung nicht aus.

Freiheit und soziale Verantwortung

Otto Fricke ist Mitglied der Synode der EKD, stellvertretendes Mitglied der rheinischen Landessynode und Kreissynodaler am Niederrhein. Wie schafft man die vielen kirchlichen Ämter angesichts der Politik als Hauptberuf, zumal er auch noch seit 2010 Kuratoriumsmitglied bei "World Vision" ist? Freimütig räumt Fricke ein, dass dies nicht immer leicht ist. Vor allem dann, wenn die Synoden tagen und gleichzeitig wichtige politische Gremienarbeit ansteht. Aber zum einen hält Fricke die kirchlichen Ämter für sehr wichtig, und zum anderen möchte er auf die Synodendebatten nicht verzichten, die er "meist sehr erfrischend" findet, und ihm der Austausch von Argumenten sehr wichtig ist. Ganz zu schweigen von den "sehr vielen angenehmen persönlichen Begegnungen" im kirchlichen Bereich,

###autor###Die Zeit zum Kaffee im Einstein ist mit einer Stunde für die meisten Politiker schon großzügig bemessen. Aber bei Fricke ist sie einfach zu kurz, was aber nichts daran ändert, dass er im Plenum des Deutschen Bundestages unabkömmlich ist. Selbstverständlich ist er überzeugt, dass die Kirche Zukunft hat. Aber hat er eine Vorstellung von dem, was für die Kirche der Zukunft wichtig ist? Otto Fricke braucht nicht lange nachzudenken. Er würde sich wünschen, wenn das Spirituelle in der evangelischen Kirche eine noch zentralere Rolle einnehme.

Ein Liberaler für mehr Spiritualität? Fricke versteht schon den erstaunten Gesichtsausdruck des Gegenübers und ergänzt sofort: "Es geht nicht darum, Vernunft und Nüchternheit an den Rand zu drängen. Vielmehr darum, dass mir das Emotionale eine zu geringe Rolle spielt. Das sollte sich ändern." Dabei denkt er sofort an das Singen: "Das ist mir sehr wichtig. Es gibt mir sehr viel." Über das Jahr der Musik im Rahmen der Lutherdekade hat er sich sehr gefreut. Das große positive Echo habe ja gezeigt, wie wichtig die Musik auch für den Christen sei.

Die Sehnsucht nach Spiritualität

Und nicht minder wichtig ist für die Kirche der Zukunft aus der Sicht Frickes, dass sie nicht zu einem "politischen Objekt" wird. Die Kirche muss frei bleiben. Nun wird immer behauptet, der Protestantismus sei in seinen Leitungsstrukturen vor allem links. Das sieht Fricke viel differenzierter. Seit den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts habe sich auch in der Kirche viel geändert. Links will er nicht sagen, "eher grün". Aber das sei eine momentane Einschätzung.

Obwohl wir beim Kaffee im Einstein eigentlich nicht über Geld sprechen wollen, muss dennoch wenigstens eine Frage an den Haushaltsexperten Fricke gestellt werden: "Ist der Euro sicher?" Die Antwort kommt schnell und ohne jede Einschränkung: "Der Euro ist sicher." Doch er fügt auch hinzu: "Wir werden noch viele Jahre kämpfen müssen, dass er sicher bleibt." Bleibt es beim Nein der christlich-liberalen Regierungskoalition zum Eurobonds und gemeinsamen Schuldentilgungsfonds? Für ihn sind das Namen für einen "bequemen Weg, vor dem ich nur warnen kann". Ohne Verantwortung der einzelnen Länder geht es auch in der Europäischen Union nicht. Fricke in Richtung der Krisenländer: "Wir Deutsche sind Europäer. Aber ihr müsst auch etwas tun."