TV-Tipp des Tages: "Tatort: Unvergessen" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Unvergessen" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Unvergessen", 20. Mai, 20.15 im Ersten
BKA-Ermittler Moritz Eisner hat zwar einen Kopfschuss überlebt, aber ein Fragment der Patrone steckt noch in seinem Schädel. Aufgrund des Traumas leidet an partieller Amnesie.

Schon mit "Meine Schwester", seinem Debüt, hat Christiane Hörbigers Sohn Sascha Bigler bewiesen, welch großes Regietalent in ihm steckt. War der stille Thriller sein Gesellenstück, so darf er sich nach diesem "Tatort" mit Fug und Recht als Meister betrachten: "Unvergessen" knüpft nahtlos an die herausragenden Qualitäten der letzten Sonntagskrimis an. Gerade bildsprachlich ist der Film ungewöhnlich reizvoll.

BKA-Ermittler Eisner leidet an partieller Amnesie

Und auch die Begründung für die mitunter sprunghaft anmutende Erzählweise ist interessant: BKA-Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) hat zwar einen Kopfschuss überlebt, aber ein Fragment der Patrone steckt noch in seinem Schädel. Aufgrund des Traumas leidet er nicht nur an partieller Amnesie, so dass er sich an den Tathergang und die Ereignisse zuvor nicht mehr erinnern kann, er erlebt auch immer wieder Aussetzer; und die hat Bigler, von dem auch das Drehbuch stammt, höchst originell umgesetzt. Als sei er in der Lage, durch die Zeit zu springen, wird Eisner mehrfach von einer Situation nahtlos in eine andere versetzt. Optisch ist das enorm eindrucksvoll: Krassnitzers Mimik und Körperhaltung bleiben identisch, aber die Umgebung ist plötzlich eine völlig andere. Außerdem jubelt ihm die Kopfverletzung immer wieder Visionen unter, in denen sich gern seine spontanen Wünsche manifestieren; allerdings gibt es auch einige hochgradig schockierende Momente. Wie bei seinem Debüt hat Bigler auch hier äußerst geschickt verschiedene Versatzstücke aus dem Genre Psychothriller integriert.

Aber auch die Geschichte hat maßgeblichen Anteil an der Qualität des Films. Sie spielt in Kärnten und macht sich die traditionellen Ressentiments zunutze, mit denen man in der Provinz auf Abgesandte aus der Hauptstadt reagiert: Als Eisner den Gründen für das Attentat nachgehen will, trifft er auf feindselige Einheimische; selbst die örtliche Polizei erweist sich nicht gerade als hilfsbereit. Immerhin findet er raus, dass er zuletzt nicht der einzige Fremde in der Gegend war: Eine Journalistin hat Material für eine Dokumentation gesammelt. Sie wollte an ein Massaker erinnern, das einst von Männern der Waffen-SS an unschuldigen Bauern begangen worden ist. Die Leiche der Frau wird in ihrem Auto in einem Baggersee gefunden, sie ist mit der gleichen Waffe erschossen worden, aus der auch die Kugel stammt, die Eisner beinahe das Leben gekostet hätte. Und das ist nicht sein einziger Bezug zu der Frau: Sie war früher mal seine Geliebte. Obwohl der Oberstleutnant eigentlich urlaubsreif ist und aufgrund seiner Befangenheit gar nicht ermitteln dürfte, verbeißt er sich umso mehr in den rätselhaften Fall: Offenbar wollte jemand aus dem Dorf dafür sorgen, dass die Vergangenheit vergessen bleibt; womöglich, weil einer der Mörder von damals immer noch lebt.

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Bigler setzt die Geschichte enorm spannend um und setzt immer wieder optische Akzente (Kamera: Gero Lasnig): mal durch ungewöhnliche Perspektiven, mal durch Verfremdungen, die Eisners verzerrte Wahrnehmung verdeutlichen. Der Regisseur beweist seine Klasse auch in der Arbeit mit den Darstellern, die ausnahmslos gut geführt sind; besonders markant ist Jürgen Maurer als Wortführer der Einheimischen. Die Handlung sorgt zudem mehrfach für verblüffende Einfälle und Wendungen; und die Auflösung, bei der es tatsächlich um Massenmord, aber in grimmiger Ironie um ein Vergessen ganz anderer Art geht, ist eine echte Überraschung.