Pfingstkirchen: Zwischen Zungengebet und E-Gitarre

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Gottesdienst im christlichen Zentrum der Pfingstgemeinde "Der Fels" in Mainz
Pfingstkirchen: Zwischen Zungengebet und E-Gitarre
Pfingstkirchen sehen sich in der Tradition der christlichen Urgemeinde
Schätzungen zufolge gehört inzwischen weltweit jeder vierte Christ einer Pfingstkirche an. In Deutschland ist die Bewegung mit 100.000 bis 300.000 Mitgliedern bislang noch eine kleine Minderheit.
19.05.2013
epd
Karsten Packeiser

Pastor Markus Taubert trägt im Gottesdienst ein kurzärmeliges Hemd anstelle des schwarzen Talars. Statt einer Orgel spielt eine Band mit Keyboard, Schlagzeug und E-Gitarren. Und statt in einer Kirche versammelt sich seine Gemeinde in einer Werkhalle am Mainzer Stadtrand, in der einst Etiketten für Weinflaschen produziert wurden. Das ehemalige Druckerei-Gebäude gehört seit einigen Jahren dem pfingstchristlichen Gemeindezentrum "Der Fels".

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Evangelische Pfingstgemeinden kommen ohne feste Kirchen-Strukturen oder eine verbindliche Liturgie aus. Dafür ist in den Gottesdiensten Platz für spontane öffentliche Glaubensbekenntnisse oder auch prophetische Visionen der Gläubigen.

In Mainz existieren mittlerweile drei Pfingstgemeinden, allein zu den Gottesdiensten in das "Fels"-Gemeindezentrum kommen jeden Sonntag etwa 200 Menschen. Viele junge Leute sind darunter, auch viele Migranten. "Mein Erlöser lebt", singt die Jurastudentin Lena zu rockigen Rhythmen ihrer vier Bandkollegen. "Ich weiß, er hat mich befreit, sein Blut bedeckt meine Schuld." Der Liedtext wird per Beamer an zwei Großleinwände geworfen, doch die Gemeinde kennt dieses und die anderen Lobpreislieder längst auswendig. Viele wippen euphorisch mit oder recken die Arme in die Höhe. Phasenweise erinnert der Gottesdienst an eine große Party.

Beim "Fels" gibt es Hauskreise, Jugend- und Pfadfindergruppen und eine Beratungsstelle für Menschen mit familiären Problemen. Eine Mitgliedschaft, die bloß auf dem Papier besteht, ist bei den Pfingstlern hingegen nicht vorgesehen: "Wir möchten Gemeinde auch als Familie verstehen", sagt Taubert, der sich nach einem Berufungserlebnis mit 20 beim pfingstkirchlichen Predigerseminar bewarb. Seine Gemeinde orientiere sich an der christlichen Urgemeinde: "Der Glaube an Jesus will persönlich konkret gelebt werden." Nur Erwachsene werden getauft.

Die Bibel berichtet über Pfingsten, dass sich die Jünger Jesu sieben Wochen nach dessen Auferstehung versammelten und plötzlich ein gewaltiger Wind durch das Haus fegte. "Sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an, zu predigen in anderen Sprachen", heißt es in der Apostelgeschichte. Mit dem Pfingsttag begannen die Anhänger Jesu der biblischen Überlieferung zufolge, begleitet von vielen "Zeichen und Wundern", immer mehr neue Anhänger zu bekehren.

"Wir sollten nicht ausschließlich Halleluja singen"

Die Pfingstler sind davon überzeugt, dass Christen auch in der Gegenwart noch ganz ähnliche Glaubenserfahrungen machen können. Die Bewegung hat ihren Ursprung Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA. Als Initialzündung gilt die Erweckungsbewegung des afroamerikanischen Predigers William Seymour (1870-1922) in der Azusa Street von Los Angeles. Während der vergangenen Jahrzehnte sind die Pfingstler zur anhängerstärksten Gruppe innerhalb des Protestantismus geworden - vor allem durch ein stürmisches Gemeindewachstum in Afrika und Lateinamerika, aber auch in osteuropäischen Ländern wie der Ukraine.

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Ursprünglich war die sogenannte Zungenrede ein zentrales Element in der religiösen Praxis vieler Gemeinden. Das Sprechen von Gebeten mit unverständlichen Lauten gilt dabei als Zeichen dafür, dass ein Christ neben der Wasser- auch die Geisttaufe erfahren hat. "Heilungsgebete und Exorzismen spielen in weiten Teilen der Pfingstbewegung außerhalb der westlichen Welt nach wie vor eine sehr große Rolle", sagt der Heidelberger Religionswissenschaftler Jörg Haustein. "In Nordamerika und Europa hingegen sind insbesondere Exorzismen seltener zu beobachten."

In Deutschland waren die Pfingstler lange selbst im Kreis der Freikirchen eher isoliert. Ihr Wunderglaube stieß dort auf Argwohn. Als "enthusiastisches Christentum" bezeichnet Reinhard Hempelmann von der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen in Berlin die Pfingstbewegung. Manche Prediger machten Menschen mit überzogenen Heilungsversprechen falsche Hoffnungen, kritisiert er. Auch sollte ein Gottesdienst sich seiner Meinung nach nicht nur auf euphorisches Gotteslob reduzieren: "Wir sollten nicht ausschließlich Halleluja singen, sondern gelegentlich auch einmal 'Herr, erbarme dich'."

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Allerdings sind sich Pfingstler und andere Kirchen in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich nähergekommen. Viele Mitgliedsgemeinden des größten deutschen Pfingstler-Bundes BFP sind in der Ökumene-Bewegung aktiv. Umgekehrt gibt es von der Pfingstbewegung inspirierte charismatische Strömungen auch bei Katholiken und den traditionellen Protestanten. "Wir sind nicht die allein seligmachende Kirche", sagt der Mainzer Pastor Taubert. "Im Himmel werden nicht nur Pfingstler und Charismatiker sein."