Nichts als Frust im Lager Zaatari

Syrisches Mädchen im Lager Zaatari in Jordanien
Foto: dpa/Jamal Nasrallah
Heftiger Regen machte den syrischen Flüchtlingen in Jordanien im Januar zusätzlich das Leben schwer.
Nichts als Frust im Lager Zaatari
Die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland gestaltet sich kompliziert
5.000 schutzbedürftige Flüchtlinge aus Syrien können in den nächsten Monaten nach Deutschland kommen. Doch allein in Jordanien halten sich 400.000 verzweifelte Menschen auf. Helfer bemühen sich, keine großen Hoffnungen zu schüren.
30.04.2013
epd
Isabel Guzmán

Der Mann mit den graumelierten Locken hat die Neuigkeiten aus Deutschland gehört. "Wie funktioniert das Aufnahmeprogramm?" fragt der Syrer hastig. "Wie kann man ausgewählt werden?" Hier, in einem Flüchtlingslager inmitten der jordanischen Steinwüste, kommen die Menschen nur schwer an Informationen. Aber einige haben mitbekommen, dass Deutschland 5.000 Menschen aus Syrien Zuflucht gewähren will.

###mehr-artikel###

Allerdings macht sich der Flüchtling wenig Illusionen, dass er in das große Glück einer Ausreise kommen wird. Er ist um die 45 Jahre alt, drahtig und sportlich. In Syrien war er Ingenieur. Das deutsche Aufnahmeprogramm ist für besonders hilflose und bedrohte Menschen gedacht: Familien mit kleinen Kindern etwa oder Angehörige gefährdeter Minderheiten wie der Christen. Schweigend starrt der Syrer auf die fleckige Matratze, auf der er kauert.

Die Verzweiflung ist groß in den jordanischen Lagern nahe der syrischen Grenze. Mehr als 100.000 der 400.000 Syrer im Land leben in solchen Lagern. Die weitaus meisten befinden sich im Camp Zaatari. Viele dachten, sie könnten nach ein, zwei Monaten wieder nach Hause. Jetzt sind sie oft schon acht Monate oder länger in Jordanien. In alle Richtungen sind ihnen die Wege versperrt.

"Es ist schwierig, hier ein paar Menschen herauszufischen"

Kilian Kleinschmidt, deutscher Feldkoordinator des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, begrüßt Besucher in einem Blechcontainer. "Ich bin der Bürgermeister von Zaatari", stellt er sich vor. Die Zeltstadt ist mittlerweile eine der größten Ortschaften Jordaniens. Allerdings hat sie nur rudimentäre Infrastruktur, neben Kleinschmidt haben auch mafiöse Banden das Sagen. Der UNHCR-Mann berichtet von Erpressungen, Schmuggel, Diebstählen, Schlägereien. "Dabei sind so viele hier völlig unschuldig", seufzt er.

###mehr-links###

Auch Kleinschmidt ist im Bild über die Aufnahme-Bestrebungen der Bundesregierung. Vertreter deutscher Ministerien haben ihn nach seiner Meinung gefragt. Kleinschmidts Antwort war sehr zurückhaltend, was Flüchtlinge aus Zaatari betraf. "Es ist schwierig, hier ein paar Menschen herauszufischen, ohne dass es unter den übrigen Bewohnern zu Massendemonstrationen kommt", warnt er.

Die Stabilität des ohnehin schon unter Hochspannung stehenden Lagers wäre dann ernsthaft in Gefahr, meint Kleinschmidt. Er erinnert sich an eine ähnliche Situation im Kosovo, wo am Ende zwei Lager in Flammen aufgingen.

Das Leben im Lager erträglicher machen

Für Bundesregierung und Bundesländer ist es aus verschiedenen Gründen kompliziert, ihre Initiative in die Tat umzusetzen. Im Moment wird noch sondiert, von wo und nach welchen Kriterien genau die Flüchtlinge kommen sollen. Fest steht, dass sie aus Zufluchtsländern wie Jordanien und Libanon, nicht aber aus Syrien selbst geholt werden. Frühestens ab Juni, heißt es im Berliner Innenministerium, soll die Aufnahme anlaufen.

Kleinschmidts Arbeit besteht indessen darin, den Bewohnern das Leben im Lager erträglicher zu machen. Er versucht, das Brennpunkt-Gebiet auf der Westseite zu beruhigen, indem er Bewohner in bessere Unterkünfte auf die Ostseite umsiedelt. Er setzt sich dafür ein, die jordanische Polizei im Lager zu verstärken. Er will mehr Laternen anbringen, damit die Frauen auch bei Dunkelheit ihre Zelte verlassen können.

Ende August wird Kleinschmidt die Lagerverwaltung an die jordanischen Behörden übergeben. Es klingt, als würden Zaatari und andere Einrichtungen für eine große Zahl Menschen zur Dauerlösung werden. Eine echte Lösung ist es freilich nicht, wie der syrische Ingenieur mit schwarzgrauen Locken frustriert bestätigt: Er fragt sich, ob er sein technisches Wissen jemals wieder einsetzen und damit seinen eigenen Lebensunterhalt verdienen kann.