Todesstrafe in China: Organe auf Bestellung

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Todesstrafe in China: Organe auf Bestellung
China richtet jedes Jahr Tausende Menschen hin. Mehr als alle anderen Länder der Welt zusammen. Oft werden den Sträflingen nach der Exekution Organe entnommen, um sie in Patienten zu verpflanzen.
28.04.2013
epd
Silke Ballweg

Wieviele Todesurteile in China jedes Jahr vollstreckt werden, ist nicht genau bekannt. Menschenrechtler vermuten einige Tausend, die kommunistische Regierung hält die Zahl geheim. Auch beim Thema Organspende liegt vieles im Dunkeln. Fakt ist aber: Mindestens 60 Prozent der rund 10.000 Nieren, Lebern oder Herzen, die jährlich in China verpflanzt werden, stammen von hingerichteten Häftlingen, wie der ehemalige Vize-Gesundheitsminister Huang Jiefu 2012 erklärte. Er ist selbst Transplantationsmediziner.

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Die Organentnahme bei Häftlingen stößt zunehmend auf Kritik. "Mittlerweile haben selbst staatliche Stellen, etwa der ehemalige Vize-Gesundheitsminister zugegeben, dass das langfristig keine akzeptable Lösung ist", sagt Roseanne Rise von Amnesty International in Hongkong: "Aber der Großteil der Transplantationen wird darüber abgewickelt."

China begann Anfang der 70er Jahre mit ersten Verpflanzungen. Schon damals kamen die meisten Organe von hingerichteten Gefangenen. Die Weltgesundheitsorganisation kritisiert diese Praxis seit Jahren. Denn von außen lässt sich nicht nachvollziehen, ob ein Häftling einer Organspende freiwillig zugestimmt hat. Oder ob er gezwungen wurde, entsprechende Dokumente zu unterschreiben: "Wir haben die Sorge, dass die Häftlinge innerlich nicht unabhängig genug sind, um diese Entscheidung zu treffen", sagt Rise. "Denn sie sind ja in einem Gefängnis, in dem sie auf den Staat angewiesen sind."

Offiziell dürfen Häftlinge in China nur engen Familienangehörigen Organe spenden. Berichten zufolge werden viele Nieren und Lebern jedoch an zahlungskräftige Patienten verkauft. Auch an Ausländer. Damit die Organe schnell verfügbar sind, sollen viele Häftlinge direkt in Kliniken exekutiert werden. Durch Todesspritze oder Kopfschuss. Es gibt auch Befürchtungen, dass Gefangene gezielt hingerichtet werden, wenn ein Patient dringend auf eine Transplantation wartet.

Organspende ist ein Tabu

"Der Markt war, als er noch offiziell boomte, umfangreich, lukrativ und sehr korrupt", sagt John Kamm von der Dui-Hua-Stiftung mit Sitz in San Francisco, die sich für die Belange von Häftlingen einsetzt. Der internationale Handel sei meist über Südostasien abgewickelt worden: "Dann wurde der Patient nach China geflogen und in ein Krankenhaus gebracht. 2007 wurde das offiziell verboten", erklärt Kamm. Aber es sei natürlich fraglich, ob es nicht insgeheim weitergeht.

Chinas Regierung hat angekündigt, dass nur noch bis 2015 Organe von Hingerichteten verwendet werden dürfen. Der Staat will stattdessen ein Netz für Transplantationen aufbauen, die Bürger motivieren, Organe zu spenden. Das aber dürfte schwierig werden, glaubt Kamm: "Es ist ein kulturelles Tabu." Bislang ist die Zahl der freiwilligen Spender verschwindend gering.

"Traditionell glaubt man in China, wenn man nach dem Tod diese Welt verlässt und eine neue Welt betritt, dann sollte man noch im Besitz all seiner Organe sein", sagt Kamm. In den vergangenen zehn Jahren haben sich gerade einmal ein paar hundert Chinesen als Organspender registriert.