"Beten Sie für uns!" Willkür gegen Christen in Westjava

Kinder protestieren gegen den Abriss der Kirche in Bekasi
Foto: Taman Sari Gemeinde Bekasi
Kinder protestieren gegen den Abriss der Kirche in Bekasi
"Beten Sie für uns!" Willkür gegen Christen in Westjava
In Bekasi begann die Karwoche mit Tränen und Wut. Die christliche Gemeinde der Huria Kristen Batak Protestant (HKBP) musste ihren Palmsonntagsgottesdienst vor den Trümmern ihres bescheidenen Gotteshauses feiern.

Die Behörden der indonesischen Großstadt hatten die Taman Sari Kirche am Donnerstag zuvor abreißen lassen. Grund: das Gotteshaus war ohne Baugenehmigung errichtet worden. Das wäre andernorts ein trauriger, aber weiter nicht bemerkenswerter Vorgang. Ohne Baugenehmigung kann nicht gebaut werden und wer es trotzdem tut, muss mit Konsequenzen rechnen.

Dass der Abriss Taman Sari Kirche jedoch eine andere Dimension hat, machte die Polizeipräsenz während der Messe am Palmsonntag deutlich. Es war nicht ganz klar, ob die Polizei Protestaktionen der Christen verhindern sollte, oder ob sie die Kirchgänger vor Übergriffen militanter Muslime schützen sollte.

Westjava - Zwischen Jihad und Mafia

Bekasi gehört zur Provinz Westjava und diese ist eine Hochburg einer militanten Strömung des indonesischen Islam, der mehrheitlich sunnitisch ist. Anhänger der radikalen Gruppierungen gehen zunehmend aggressiver und aller Regel mit dem Segen von Politik und Polizei gegen Minderheitsreligionen vor. In ihrem Visier sind "Ungläubige", also Christen aller Konfessionen, wie auch die islamischen Minderheiten der Schiiten und Ahmadis. 88 Prozent der Indonesier gehören dem Islam an. Mit über 191 Millionen Muslimen ist Indonesien der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit.

Die zerstörte Kirche in Bekasi

Seit der Wiederwahl Ahmad Heryawans zum Gouverneur von Westjava Ende Februar verspüren die Islamisten noch stärkeren Aufwind. Kurz vor der Wahl hatte der Politiker der islamischen Gerechtigkeits- und Wohlfahrtspartei der militant-radikalen Islamischen Verteidigungsfront (FPI) die Einführung von Schariagesetzen in Westjava und ein entschiedenes Vorgehen gegen Minderheitsreligionen garantiert. In Westjava und im benachbarten Jakarta agiert die FPI seit einigen Jahren als Staat im Staate, diktiert Politik und Behörden ihre Vorstellungen von Islam und Moral. Ihr Ziel ist Errichtung eines islamischen Gottesstaates in Indonesien.

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Bei der Wahl ihrer Mittel und Partner ist die FPI nicht zimperlich. Dass sie selbst vor Gewalt nicht zurückschreckt, zeigte vor zwei Jahren der brutale Mord an drei Mitgliedern der Ahmadiya. Die Täter kamen mit äußerst milden Haftstrafen zwischen sechs und neun Monaten davon.

In Bekasi werden der FPI Verbindungen zum Betawi Brotherhood Forum nachgesagt. Die Bruderschaft ist eine mafiaähnliche Organisation, zu deren Geschäftsmodel Schutzgelderpressungen gehören. "Kirchen, die Schutzgeld bezahlt haben, bleiben von den Behörden unbehelligt beziehungsweise erhalten schnell und unbürokratisch die erforderlichen Genehmigungen", weiß Bonar Tigor, Vizepräsident des Setara Institut für Demokratie und Frieden in Jakarta.

Wie durch ein Wunder haben solche Kirchen auch nichts von der FPI zu befürchten, die im Verdacht der Schutzgelderpressungen steht. "Wenn die FPI Geld kassiert, nennt sie das nicht Schutzgeld, sondern Spende für die (islamische Erweckungsbewegung) Dakhwa, die den Islam verbreiten soll", sagt Tigor. Für die nahe Zukunft befürchtet Tigor weitere Kirchenabrisse in Bekasi: "Mindestens 29 Kirchen haben keine Baugenehmigungen."

Ohnmächtige Justiz

Pastor Adven Leonard Nababan von der Taman Sari Kirche will gegen den Abriss klagen. Vielleicht wird die Gemeinde gar den Prozess gewinnen. Helfen wird ihr das aller Voraussicht nach nicht. Der Filadelfia Gemeinde in Bekasi als auch der protestantischen Yasmin Gemeinde in der Nachbargroßstadt Bogor hat das Oberste Gericht Indonesiens bescheinigt, dass sie ihr Gotteshaus legal erbaut haben. Auf Druck der radikalen Islamisten verweigern die Stadtveraltungen beiden Gemeinden trotz des höchstrichterlichen Urteils die Nutzung ihrer Kirchen.

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Aus Protest halten die Gemeinden Gottesdienste auf offener Straße ab. Oft werden sie gestört durch radikale Muslime, die mal durch wüste Schreierei stören, mal die Gottesdienstbesucher mit Steinen bewerfen. Wenn sich die Angegriffenen wehren, wie zuletzt der Pastor Palti Panjaitan von der Filadelfia Gemeinde, der Heiligabend 2012 tätlich angegriffen wurden, werden sie angezeigt und vor Gericht gestellt, während die Täter in der Regel ungeschoren davon kommen. "Was Pastor Palti passiert ist passt in das Muster des staatlichen Polizeiterrors gegen die Opfer", klagt Bona Sigalingging, Sprecher der protestantischen Gemeinden in Bekasi und Bogor.

In dem Ende Februar veröffentlichten Report "In Religion’s Name: Abuses against Religious Minorities in Indonesia” wirft die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) dem indonesischen Staatspräsidenten Susilo Bambang Yudhoyono "Versagen" beim Kampf gegen die militanten Gruppierungen vor, die religiöse Minderheiten schikanieren und terrorisieren. "Yudhoyono hat es versäumt, die Machtmittel zu nutzen, die ihm zur Verteidigung der religiösen Minderheiten zur Verfügung stehen. Zudem hat er auch nicht jene Kabinettsmitglieder diszipliniert, die zu den Verletzungen ihrer Rechte ermutigen", heißt es in dem Report.

Religiöse Gewalt nahm sprunghaft zu

Weiter kritisiert HRW, dass die indonesische Gesetzgebung die Schikane religiöser Minderheiten begünstigt. Dazu gehört das Genehmigungsverfahren für den Bau und Betrieb von Gotteshäusern, das den potentiellen Nachbarn solcher Bauten eine große Macht einräumt. Sechzig Unterschriften für oder gegen ein Haus des Gebets sind notwendig, um das Genehmigungsverfahren überhaupt in Gang zu setzen. Dem Missbrauch sind damit in Indonesien, einem Land, in dem man es mit der Durchsetzung von Gesetzen nicht immer so genau nimmt, Tür und Tor geöffnet. Behörden verzichten schon mal darauf zu prüfen, ob die Unterschriften tatsächlich von Nachbarn stammen oder ob Organisationen wie die FPI diese anderweitig 'organisiert' hat.

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Unter Präsident Yudhoyono hat die religiöse Gewalt sprunghaft zugenommen. Hatte das Setara Institut 2010 gut 216 Fälle registriert, waren es ein Jahr später bereits 244 und 264 im Jahr 2012. In den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres gab es in ganz Indonesien bereits mehr als 20 Übergriffe auf katholische und protestantische Kirchen. Schauplätze der religiös motivierten Gewalt sind die Provinzen Ostjava und Südsulawesi, aber auch Westpapua oder Sumatra. Aber der Brennpunkt ist und bleibt Westjava. "Die religiösen Spannungen in Westjava sind auf dem höchsten Stand seit fünf Jahren", sagt Tigor.

Politischer Machtkampf in Indonesien

Westjava ist das wirtschaftliche und industrielle Zentrum Indonesiens. Zusammen mit der Stadt Bogor und einigen anderen Städten bildet Bekasi die Metropolenregion Jakarta, in der mit mehr als zwanzig Millionen Menschen gut die Hälfte der Bevölkerung Westjavas lebt. Aus ganz Indonesien ziehen Menschen aller Religionen und ethnischer Zugehörigkeiten auf der Suche nach Arbeit nach Westjava, der bevölkerungsreichsten Provinz des Landes. "Das macht Westjava attraktiv für alle politischen Parteien. Hier können sie viele Sitze im indonesischen Parlament gewinnen. Sie buhlen um die Gunst der Menschen. Das geht am einfachsten durch die Benutzung der Religion", sagt Tigor.

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Nur einen Tag nach dem Abriss der Taman Sari Kirche verwüsteten Unbekannte in der Stadt Tasikmalaya eine Kirche der Adventisten. Anders als die Kirche in Bekasi verfügte das Gotteshaus der Adventisten über eine Baugenehmigung. Trotzdem hatten mehr als 50 islamische Gelehrte in der Region die Stimmung gegen die Adventistenkirche geschürt und radikale Gruppen zu dem Anschlag ermutigt. Theophilus Bela befürchtet durch den einsetzenden Kampf um die Macht bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr eine Verschärfung der Kampagne gegen die indonesischen Christen. Der Vorsitzende des Christlichen Kommunikationsforums Jakarta bittet: "Die religiösen Spannungen sind augenblicklich sehr hoch. Beten Sie für uns."