"Papa Francisco" - Freudentränen und Stolz in Lateinamerika

Foto: dpa/Enrique Garcí­a Medina
Katholiken in Argentinien feiern.
"Papa Francisco" - Freudentränen und Stolz in Lateinamerika
Viele Lateinamerikaner konnten es zuerst kaum fassen: Der neue Papst Franziskus ist einer der ihren, er spricht ihre Sprache und ist auch noch Fußballfan. In die Freude mischen sich nur wenige kritische Stimmen.
14.03.2013
epd
Andreas Behn

Jubel von Feuerland bis Mexiko-Stadt: Lateinamerika begrüßt überschwänglich den neuen Papst aus Argentinien. "Ein historischer Tag" titelte die argentinische Tageszeitung "Clarín" zur Wahl von Jorge Mario Bergoglio, des Erzbischofs von Buenos Aires. Er galt als Geheimfavorit neben dem brasilianischen Kardinal Odilo Scherer, dem große Chancen im Konklave zugeschrieben worden waren.

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80 Prozent der 600 Millionen Lateinamerikaner sind katholisch. Die Wahl eines Papstes aus dieser Weltregion fällt in eine Zeit, in der sich besonders Südamerika im Aufschwung sieht. Es herrscht ein neues Selbstvertrauen. Wirtschaftlich geht es seit Jahren bergauf, die Zeit der Diktaturen, Krisen und schlechten Nachrichten ist vorbei. Und die Führungsmacht Brasilien, treibende Kraft bei der regionalen Integration und mittlerweile siebtgrößte Wirtschaftsnation der Welt, wird als Gastgeber der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Spiele 2016 im Mittelpunkt der Sportwelt stehen.

Ecuadors Präsident Rafael Correa brachte die euphorische Stimmung in seinem Twitter-Glückwunsch auf den Punkt: "Wir haben einen lateinamerikanischen Papst! Wir erleben historische Momente!" Ähnlich äußerten sich seien Amtskollegen aus Kolumbien und Mexiko, Juan Manuel Santos und Enrique Peña Nieto.

Enttäuschung in Brasilien

Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner wünschte ihrem Landsmann viel Erfolg bei der verantwortungsvollen Aufgabe, "die Gerechtigkeit, die Gleichheit, die Brüderlichkeit und den Frieden" zu fördern. Der Parlamentarier Facundo Moyano äußerte die Hoffnung, dass damit der Einsatz für die Armen gestärkt werde.

Unter den Brasilianern herrscht eine gewisse Enttäuschung darüber, dass der neue Papst nicht aus ihrem Land kommt, der größten katholischen Nation weltweit, sondern aus dem Nachbarstaat und traditionellem Rivalen Argentinien. Dennoch überwiegt die Freude. "Es ist eine große, sehr angenehme Überraschung, dass ein Lateinamerikaner gewählt wurde," sagte der Generalsekretär der katholischen brasilianischen Bischofskonferenz, Leonardo Steiner. Mit Sicherheit werde Papst Franziskus im Juli zum katholischen Weltjugendtag nach Rio de Janeiro kommen - "obwohl wir im Fußball miteinander konkurrieren".

Doch es wird nicht nur über die Nationalität des neuen Papstes gesprochen. Der 76-jährige Bergoglio gilt in Argentinien als Vertreter einer strikt konservativen Auslegung des Glaubens. Gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibungen auch im Fall einer Vergewaltigung lehnt er kompromisslos ab. Diese Haltung führte mehrfach zu heftigen Konflikten mit der Lesben- und Schwulenbewegung, die nun auch mit Kritik reagierte.  Auch mit der Regierung geriet Bergoglio in Clinch, als kürzlich die Homo-Ehe per Gesetz ermöglicht wurde.

Distanz zur Befreiungstheologie

Trotz aller Euphorie und Erwartungen gibt es aber auch kritische Stimmen in Argentinien. "Die katholische Kirche hat eine Person ausgewählt, die für uns, die Angehörigen der Opfer der Militärdiktatur, der Helfershelfer eines verbrecherischen Regimes war," erklärte Estela de la Cuadra. Die Menschenrechtlerin kritisiert wie die "Mütter von der Plaza de Mayo", dass Bergoglio unter der Diktatur (1976-1983) nicht nur jegliche politische Stellungnahme der Kirche unterbunden habe.

Mehrere Bücher und Dokumente weisen darauf hin, dass der heutige Papst für die Verhaftung von zwei Jesuitenpatres mitverantwortlich sein könnte, denen er den kirchlichen Schutz entzog. Bergoglio wurde von Hinterbliebenen wegen der Verwicklungen angezeigt, bestreitet aber jegliche Zusammenarbeit mit dem Militärregime.

In fortschrittlichen Kirchenkreisen wird auch Bergoglios Distanz zu der in Lateinamerika einst sehr beliebten "Theologie der Befreiung" hinterfragt.  Zugleich gilt der neue Papst als Mann der Armen, der die ungerechte Reichtumsverteilung anprangert und für sozialen Ausgleich eintritt. So sind viele nicht nur in Argentinien gespannt, ob das Oberhaupt der Katholiken eher seine konservativen Überzeugungen oder sein sozialen Engagement und sein bescheidenes Auftreten in den Mittelpunkt des Pontifikats stellen wird.