Sexarbeit im Verborgenen: Städte drängen Prostituierte von der Straße

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Sexarbeit im Verborgenen: Städte drängen Prostituierte von der Straße
Das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 legalisierte Sexarbeit und sorgte für eine bessere rechtliche Absicherung der Frauen. Doch in vielen Städten wird inzwischen das Sex-Geschäft auf dem Straßenstrich per Sperrgebietsverordnung verboten. Das bleibt für die Frauen wie auch für die Träger von Hilfsangeboten nicht ohne Folgen.
16.03.2013
epd
Kendra Eckhorst

In Hamburg besteht die "Kontaktverbotsverordnung" seit gut einem Jahr. Sie zielt auf die Freier ab und bekräftigt das Sperrgebiet in St. Georg. Armut, Drogenkonsum und Sexarbeit sind dadurch freilich nicht verschwunden. Die Frauen hätten jetzt noch mehr Stress, berichtet Gudrun Greb von der Hilfseinrichtung "Ragazza": "Sie müssen doppelt soviel arbeiten, um auch Geld für drohende Bußgelder zu haben." Wenn sie ihrem Gewerbe nachgingen, müssten sie ständig auf der Hut sein, weil jeden Moment die Polizei um die Ecke kommen könne. Und: "Die Preise sinken", sagt die Geschäftsführerin des Vereins für drogenabhängige und sich prostituierende Frauen.

Familienhäuser statt Straßenstrich

Wie auch in anderen Städten spitzte sich der Konflikt um den Straßenstrich durch das Bestreben der Stadt zu, das verruchte Viertel aufzuwerten. Der nahe am Hauptbahnhof gelegene, über Jahre geduldete Straßenstrich soll einer familienfreundlichen Wohnumgebung weichen.

Zudem kam es durch die EU-Osterweiterung ab 2007 zum Zuzug vieler Prostituierten aus dem Osten. Die Beratungsstellen müssen darauf reagieren: Sie brauchen neue Konzepte, um die Frauen ausländischer Herkunft erreichen und unterstützen zu können.

Riskanter Straßenstrich

2011 wurde der Straßenstrich in der Dortmunder Nordstadt trotz seines Modellcharakters verboten. Erstmalig waren hier "Verrichtungsboxen" zum Einsatz gekommen, die den Frauen mehr Sicherheit gewährten, etwa dadurch, dass die Autotür auf der Fahrerseite in der Parkbox nicht geöffnet werden konnte. "Im jetzigen Sperrbezirk zu arbeiten, ist riskanter. Die Frauen müssen schnell entscheiden und schnell in ein Auto hineinspringen", kritisiert Elke Rehpöhler von der Beratungsstelle "Kober".

###mehr-artikel###Ihren Angaben nach werden die Angebote von "Kober" verstärkt genutzt - von der ärztlichen Sprechstunde bis zum Kaffee auf dem Sofa zum Aufwärmen. Um Sprach- und Leseschwierigkeiten zu überbrücken, entwickelte die Beratungsstelle ein Video, dass ihre Angebote auf Bulgarisch, Türkisch und Englisch vorstellt. Der Film ist auch auf der Homepage der Anlaufstelle zu sehen. Und, ganz im Trend: über einen QR-Code auf Flyern, das schwarz-weiße Piktogramm für Smartphones, gelangt man ebenfalls auf diese Seite.

Freier jetzt in Bars und Kneipen

"Mit einem Bodensatz von 25 bis 35 Prostituierten müssen wir leben", lautet das Fazit von Hans-Joachim Skupsch, Sprecher der Stadt Dortmund. Ehemals seien es über 400 Frauen gewesen. Eine "Taskforce" aus Polizei und Ordnungsamt sei immer noch im Einsatz, um Sexarbeiterinnen und Freier zu belehren und womöglich anzuzeigen.

In Hamburg und in Augsburg wird die Schließung des Straßenstrichs als Erfolg gewertet. "Die Beschwerdelage hat sich deutlich verringert", sagt Frank Reschreiter, Sprecher der Hamburger Behörde für Inneres und Sport. Die Freier agierten nun in Bars und Kneipen und nicht mehr so geräuschvoll und aggressiv auf der Straße.

Sexarbeit im Verborgenen

Dass die Sexarbeit jetzt im Verborgenen stattfindet, nimmt auch Volker Ullrich an. Der Ordnungsreferent in Augsburg betont aber, die Bedingungen seien unhaltbar gewesen: Schmutz, Gewalt und auch Menschenhandel hätten den Straßenstrich geprägt.

Gegen die Gleichsetzung von Menschenhandel und Straßenstrich verwahren sich indes viele der Beratungsstellen. Sie sehen die geringen Kosten und die Selbstständigkeit auf der Straße als Anreiz für die Frauen, sich dennoch den gestiegenen Repressionen auszusetzen.

"Wir müssen zeigen, dass wir einen sicheren Rahmen bieten", sagt Mechthild Eickel vom Verein "Madonna" in Bochum. Über persönliche Ansprachen, Anzeigen auf Internetseiten oder über Chatrooms suchen die Helferinnen Kontakt. Dabei geht es nicht allein um den Ausstieg aus dem Sexgewerbe. Der Verein kämpft seit 16 Jahren für die Anerkennung der Sexarbeiterinnen sowie für gesicherte Arbeitsbedingungen - und wird das auch weiter tun.