Mit Bibel und Colt zum Gottesdienst

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Mit Bibel und Colt zum Gottesdienst
Viele Christen in den USA sehen keinen Widerspruch zwischen dem Revolver und der Bibel. In Deutschland kaum vorstellbar: In den USA dürfen vielerorts verdeckt getragene Schusswaffen sogar in die Kirchen mitgenommen werden.
26.02.2013
epd
Konrad Ege

In der intensiven Debatte über Waffenkontrolle in den USA melden sich häufig die Kirchen "gegen die Epidemie der Schusswaffengewalt" zu Wort. 30.000 Schusswaffentote im Jahr seien ein Skandal. Aber aus den Kirchen kommen auch andere Stimmen. So warnt der baptistische Prediger Franklin Graham gegenwärtig auf seiner Webseite, mehr Menschen würden "mit Hämmern und stumpfen Gegenständen ermordet als mit Sturmgewehren". Das "Böse im Herzen" sei die Wurzel der Gewalt, und das Böse werde verstärkt von den Gewaltdarstellungen in der Unterhaltungsindustrie.

In Deutschland kaum vorstellbar, in den USA aber vielerorts Realität: In acht Bundesstaaten gibt es nach Angaben des Informationsdienstes "Baptist Press" Gesetze, denen zufolge verdeckt getragene Schusswaffen selbst in die Gotteshäuser mitgenommen werden dürfen, es sei denn, die jeweilige Kirche hat Schusswaffen ausdrücklich verboten. Im Senat des Bundesstaates Arkansas wurde ein solches "Kirchenschutzgesetz" im Februar mit 28 zu vier und im Landtag mit 85 zu acht Stimmen beschlossen.

"Safe at Church": Sicherheitsseminare für Gemeinden

Larry Dickey, Pastor der baptistischen Kirche in Arizona, predigt mit dem Revolver im Holster. In Texas hat der Polizeibeamte Jimmy Meeks viel zu tun: Mit seiner Firma "Safe at Church" veranstaltet Meeks Sicherheitsseminare für Kirchengemeinden. Meeks, der früher selbst baptistischer Pfarrer war, empfiehlt bewaffnete und geschulte Sicherheitskräfte. Rund 1.000 Kirchen hätten an den Seminaren teilgenommen.

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Kirchen blieben in den USA nämlich nicht von Mord und Totschlag verschont, sagte Meeks dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Jahr 2012 seien mindestens 75 Menschen in Gotteshäusern erschossen worden, oft im Zuge von Ehestreitigkeiten und bei Raubüberfällen. "Die Kriminellen und der Teufel nehmen keine Rücksicht auf Kirchen", so Meeks. Es sei verantwortungslos, keine Vorbereitungen zu treffen. "Wenn Sie Jesus lieben, müssen Sie seine Gläubigen beschützen." Die Bibel erlaube eindeutig die Selbstverteidigung.

Pastor Dickey erläuterte kürzlich in der Kirchenzeitung "Church Executive" seinen Grund für das Waffentragen auf der Kanzel. Seine "First Baptist Church" in Sunizona (Arizona) liege weit draußen auf dem Land. Die Polizei könne im Notfall gar nicht schnell genug da sein. Der Bürger habe die Pflicht, seine Mitmenschen zu verteidigen - und wenn nötig auch sein Leben zu riskieren.

Jesus forderte zum Kaufen von Schwertern auf

Für den texanischen Polizisten Meeks hat das Engagement für Waffen beim Gottesdienst auch eine persönliche Geschichte. Im August 1977 hätten er und seine Frau Julie in der "First Baptist"-Kirche in Daingerfield (Texas) geheiratet. Drei Jahre nach der Hochzeit sei ein offenbar Verwirrter beim Sonntagsgottesdienst in die Kirche eingedrungen und habe fünf Menschen niedergeschossen. Es sei kein Bewaffneter da gewesen, um den Mann zu stoppen.

200 bis 300 Millionen Schusswaffen sind in den USA in Privathänden. Nach Meinungsumfragen zeigen sich beim Thema Schusswaffenkontrolle deutliche Unterschiede zwischen den Kirchen. Wie das "Public Religion Research Institute" mitteilte, befürworten 62 Prozent der Katholiken, 42 Prozent der weißen "mainline"-Protestanten und 35 Prozent der weißen evangelikalen Christen mehr Schusswaffenkontrolle.

Beide Seiten der Schusswaffendebatte beziehen sich auf die Bibel. Die einen verweisen auf die Bergpredigt, die anderen auf das Recht zur Selbstverteidigung und auf Bibelpassagen wie die im 22. Kapitel des Lukasevangeliums, in der Jesus seine Jünger auffordert, Schwerter zu kaufen.