Hirnforscher Roth: Veränderungen sind extrem schwer

Hirnforscher Roth: Veränderungen sind extrem schwer
Wer in seinem Leben tatsächlich etwas ändern will, muss nach den Worten des Bremer Hirnforschers Gerhard Roth gegen große innere Widerstände angehen.
04.02.2013
epd
Dieter Sell

"80 Prozent der Menschen halten gern an Gewohntem fest, weil uns das Gehirn dafür belohnt", sagte der Neurobiologe und Philosoph Roth im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Von Ritualen abzuweichen, ist eine Qual - je älter wir sind, umso mehr."

Wer die Teedose also immer auf denselben Platz stellt, immer zur gleichen Zeit aufsteht und immer an einem bestimmten Ort parkt, leidet, wenn es anders kommt. "Viele Menschen fühlen sich gut dabei, wenn sie alles so machen wie immer", sagte Roth. Dann würden hirneigene Botenstoffe, sogenannte Opioide, ausgeschüttet. "Und sie kriegen Angst, wenn sie davon abweichen."

Biologisch erklärt der Professor für Verhaltensphysiologie das auch mit dem hohen Energiebedarf des Hirns, schon im Ruhezustand. "Deshalb ist es von der Energiebilanz her nicht verwunderlich, dass unser Gehirn stets danach trachtet, Dinge zu erledigen, die möglichst wenig oder gar kein Bewusstsein brauchen." Das erfordere Routineprogramme - "in allen Bereichen der Gehirnaktivität".

Deshalb werde auch von "lieben Gewohnheiten" gesprochen, ergänzte der Neurobiologe. Ohnehin verändere der Mensch nichts, wenn er dafür keine Belohnung erwarten könne. "Das kann auch negativ sein: Ein Übel abzuwehren, Schaden abzuwenden, das hat eine höhere Wirkung als eine positive Belohnung." Unmittelbar wirksam sei eine materielle Belohnung wie etwa Geld, "wenn auch nicht sehr nachhaltig". Besser seien soziale Belohnungen wie ein gutes Gespräch, Lob und Anerkennung.

Am längsten wirke allerdings die "intrinsische Belohnung", meist eng verwoben mit sozialer Anerkennung: "Wenn ich mich selbst gut fühle, wenn in mir die Überzeugung wächst: Ich bin ein guter Mensch." Wer das berücksichtige, könne langfristig etwas ändern. "Tu's einfach, geh' Risiken ein, nicht zu große, und guck', was rauskommt, das ist der Trick."

Besonders wichtig seien soziale Kontakte, denn die Freude an sozialen Kontakten verselbständige sich. "Das ist die triviale Wahrheit, die man heute kaum mehr zu sagen wagt, die aber ganz tief richtig ist: Das Glück der anderen wird zu meinem eigenen Glück." Wer etwas verändern wolle, sei überdies gut beraten, Unterstützung zu suchen. Alleine funktioniere das oft nicht, weil man zu früh aufgebe. "Aber wenn man einen Menschen hat, der sagt, du wolltest doch, also tu es auch, dann kann es klappen."