Zur Weihnachtsfeier keine heile Welt vorgaukeln

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Besinnung oder Besäufnis? Die Weihnachtsfeier in der Firma kann auch ganz anders gestaltet werden...
Zur Weihnachtsfeier keine heile Welt vorgaukeln
Die Weihnachtsfeier im Betrieb ist meistens eher einer Dankfeier zum Jahresabschluss - oft inklusive Besäufnis. Mit dem christlichen Fest hat das wenig zu tun. Es sei denn, ein Seelsorger kommt: Frank Meixner ist Sozialsekretär beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern und damit Seelsorger für die Firmen im Kirchenkreis Bayreuth. Er wirbt für gemeinsames Singen, bringt biblische Impulse ein und redet Klartext - nicht nur zu Weihnachten.
13.12.2012
evangelisch.de

Herr Meixner, Sie sind Seelsorger in einer Gegend, in der es viele mittelständische Industriebetriebe gibt. Welche Art von Beistand wünschen sich die Belegschaften von Ihnen?

###mehr-personen###Frank Meixner: Hauptsächlich erwarten die Mitarbeiter Beistand von mir, wenn es zum Beispiel um Arbeitsplatzverlust geht, wenn Mobbing oder Burn-out droht, dann fragen die Mitarbeiter mich verstärkt an. Oft geht es auch um familiäre Probleme, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt eine Rolle und auch die Entlohnung. Viele sind in Leiharbeit beschäftigt, und da stehen die finanziellen Probleme ganz oben. Ich denke, es ist wichtig, sich Zeit für die Leute und ihre Probleme zu nehmen. Das geht oft im normalen Tagesgeschäft in den Betrieben unter, der Betriebsrat oder der Personalchef können das nicht leisten.

Wenn Sie zu einer Betriebsversammlung gehen, ist es da Ihrer Erfahrung nach angebracht, biblische Impulse zu geben und christliche Inhalte zu vermitteln?

Meixner: Wenn ich zu einer Betriebsversammlung gehe, versuche ich das immer vorzubereiten. Ich werde ja konkret angefragt - von der Personalabteilung oder in der Regel eher von den Betriebsräten.

###mehr-links###Die sagen dann: "Wir haben ein konkretes Problem. Wie könnte denn eine Stellungnahme eines kirchlichen Mitarbeiters aus theologischer, aus biblischer Sicht aussehen?" Da erwarten die Leute ganz konkret von mir, dass ich Stellung beziehe, dass ich ganz klar das Problem anspreche. Ich sag mal ein Beispiel: Leiharbeit. Die Menschen wollen dann wissen: Wie sehen wir als Kirche das Thema Leiharbeit und wie bewerten wir das?

Und was sagen Sie dazu? Bleiben wir bei dem Beispiel Leiharbeit…

Meixner: Das Thema Leiharbeit hat ja den Hintergrund "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", das ist so eine Gewerkschaftsforderung. Aber das Thema wird ja auch in der Bibel aufgenommen, zum Beispiel im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Da ist es ja so, dass die Mitarbeiter, ganz egal, ob sie sechs oder acht Stunden arbeiten, den gleichen Lohn - einen Silbergroschen - bekommen. Das kann ein Impuls für einen gesetzlichen Mindestlohn sein. Die Entlohnungsfrage wird also auch in der Bibel benannt.

Was für Ansprachen halten Sie, wenn Sie zu Weihnachtsfeiern eingeladen werden?

Meixner: Für mich ist es immer wichtig, dass ich vorher, bevor ich komme, erstmal frage: "Wo liegen denn wirklich die Probleme obenauf?" Ich will nicht auf einer Weihnachtsfeier irgendwas erzählen, das mit den Problemen im Betrieb nichts zu tun hat. Es sollen ganz konkrete Probleme angesprochen werden, und da will ich auch Lösungsversuche oder Lösungsansätze aufzeigen.

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Außerdem biete ich mich als Gesprächspartner an, zum Beispiel wenn Konflikte da sind, um zwischen der Geschäftsleitung, einzelnen Geschäftsgebieten und dem Betriebsrat zu vermitteln, das versuche ich auch immer bei der Weihnachtsfeier aufzuzeigen. Wenn ich eingeladen werde, habe ich also oft schwer verdauliche Kost dabei. Ich versuche Stellung zu beziehen und den Leuten ins Gewissen zu reden und auch Themen anzusprechen, die ihnen vielleicht nicht so liegen, besonders der Geschäftsleitung nicht. Wenn ich weiß, in einem Betrieb leiden Menschen unter Burn-out oder Mobbing, dann spreche ich solche Themen an, auch auf der Weihnachtsfeier. Das müssen die Leute aushalten können.

Damit machen Sie sich unbeliebt, oder? Macht Ihnen das nichts aus?

Meixner: Manchmal ist es nicht so einfach. Manchmal sehen die Geschäftsleitungen den Weihnachtsfrieden dann ein bisschen gestört. Man versucht ja, den Leuten heile Welt vorzugaukeln, aber die Realität im Betrieb ist eine andere. Wenn Mitarbeiter zum Beispiel wissen, dass sie im Januar oder Februar vielleicht die Kündigung bekommen, weil eine ganze Abteilung zugemacht wird, nützt es nichts, zur Weihnachtsfeier noch mal eine heile Welt vorzugaukeln.

Haben Weihnachtsfeiern in der Firma überhaupt etwas mit Weihnachten zu tun? Oder ist der Sinn eigentlich ein ganz anderer?

Meixner: Oft ist die Weihnachtsfeier im Betrieb ja so etwas wie der Jahresabschluss. Es ist eine Betriebsversammlung, bei der man sich noch mal das Betriebsergebnis anschaut, wo man auch lang gedienten Mitarbeitern einen Dank aussprechen möchte. Dann sagt man so als Alibi: Na, eigentlich könnte es ja auch eine Weihnachtsfeier sein. Man singt ein paar Lieder und geht dann trotzdem relativ schnell zum Buffet über.

Was würden Sie für die Gestaltung einer Betriebsweihnachtsfeier empfehlen, damit sie der  Belegschaft gut tut?

Meixner: Also ich denke, es sollte ein Raum sein, um tatsächlich gemeinsam Weihnachtslieder zu singen. Ich finde dieses Gemeinschaftserlebnis beim Singen immer ganz wichtig für den Zusammenhalt der Beschäftigten.

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Gut ist es auch, wenn man auch ein paar besinnliche Worte hört auf der Weihnachtsfeier, die Bezug zur Arbeitswelt und zum Leben haben müssen. Im Lauf des Jahres kann die Belegschaft den einen oder anderen Impuls noch mal aufgreifen und sagen: Mensch, was hat denn der Seelsorger auf der Weihnachtsfeier zum Beispiel zum Thema "gute Arbeitsbedingungen" gesagt? Was gehört denn da aus theologischer Sicht dazu?

Ist es auf einer Weihnachtsfeier angemessen, über Religion zu sprechen?

Meixner: Ich versuche grundsätzlich immer einen theologischen Impuls oder einen theologischen Bezug einzubringen. Ich denke, das erwarten die Leute von mir. Sie erwarten auch, dass ich zum Beispiel ein Thema wie "gerechter Lohn" anders beschreibe und anders damit umgehe als das der Gewerkschaftskollege macht. Sie wünschen sich von mir andere Impulse, andere Schlussfolgerungen.