"Beschneidung" bei Maischberger: Verhärtete Fronten

Foto: epd-bild/Herby Sachs
Beschneidungszeremonie in der Synagogengemeinde in Köln.
"Beschneidung" bei Maischberger: Verhärtete Fronten
In Sandra Maischbergers Talkshow ging es am Dienstagabend um die religiös motivierte Beschneidung. Die Gäste waren zwar lange sachlich, aber wenig kompromissbereit. Dass jüdische Beschneidungsgegner dann mit Ufo-Jüngern verglichen und das religiöse Ritual mit der Prügelstrafe gleichgesetzt wurde, half der Diskussion wenig.
15.08.2012
Jasmin Maxwell

Am 26. Juni verkündete das Kölner Landgericht ein Urteil, das noch mehr als einen Monat später erhitzte Debatten auslöst. Die Richter werteten die Beschneidung von Jungen als Körperverletzung. Sie ist demnach strafbar, wenn sie aus religiösen und nicht aus medizinischen Gründen geschieht. Fast zwei Monate später war das Urteil, das für einen Sturm der Empörung unter Juden, Christen und Muslimen gesorgt hatte, in der Talkshow "Menschen bei Maischberger" am Dienstagabend erneut Thema. Es drängt sich die Frage auf, ob nicht schon alle Argumente ausgetauscht sind.

Und tatsächlich zeigt sich: Die Konfliktlinien sind noch immer dieselben, die Fronten noch immer verhärtet. Doch es ist bemerkenswert, wie ruhig und sachlich die Debatte in weiten Teilen der Sendung bleibt, obwohl die Auswahl der Talk-Gäste naturgemäß Konflikte provoziert. Man merkt: Die erste Aufregung über das Urteil ist verflogen, nun müssen Sachargumente vorgetragen werden.

"Ekelhafte" Debatte

So wird die Sendung auch ein Rückblick auf die aufgeregte öffentliche Debatte nach dem Kölner Urteil. Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, kritisiert, die Diskussion entwickle sich in eine "ekelhafte Richtung" und verweist auf Schmähungen im Internet und Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in der die Beschneidung mit Kindesmissbrauch verglichen wurde.

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Graumann zeigt sich Kritikern gegenüber aber auch versöhnlich. Viele Deutsche hätten vorher kaum etwas über das Ritual gewusst. Das Fremde erzeuge eben Furcht und Fragen. "Das hat mit Antisemitismus nichts zu tun", stellt er klar. Der Zentralratsvorsitzende wirbt um Verständnis: "Die Beschneidung ist kein bizarrer Brauch, sie ist Kernpflicht jeder jüdischer Familie", sagt er. "Das muss man nicht verstehen, aber respektieren." Religiöse Regeln seien für die Ewigkeit gemacht, Menschen könnten sie nicht nach Belieben ändern.

Dass Graumann mit solchen Argumenten auf Widerstand von Necla Kelek stoßen würde, war absehbar. Die türkischstämmige Soziologin sorgte in der Vergangenheit für Schlagzeilen, als sie Thilo Sarrazins umstrittenen Bestseller "Deutschland schafft sich ab" verteidigte. Die Beschneidung ist für sie eine überholte Tradition. Doch auch die streitbare Islamkritikerin bleibt bei "Maischberger" zumindest anfangs ruhig und betont, der Brauch diene nicht dem Kindeswohl, sondern dem Wohl der Gemeinschaft, in die das Kind eingeführt werde.

Graumann hatte ganz ähnlich argumentiert: Die Beschneidung verbinde alle Juden mit Gott und untereinander. Die Schlussfolgerung ist bei Kelek und Graumann freilich eine andere. Von ihrem Standpunkt wollen beide keinen Deut abweichen. Und je weiter die Debatte schreitet, desto mehr greift Kelek zu Provokationen. Als der muslimische Arzt Sebastian Isik anführt, dass die Beschneidung hygienische Vorteile habe, ruft sie: "Sie sagen gerade, dass deutsche Männer unrein sind! Sie beleidigen gerade die Christen!"

Gleichsetzung mit Genitalverstümmelung

Unangenehm fiel auch Christa Müller auf. Sie ist Vorsitzende des Vereins "Intact", der sich gegen weibliche Genitalverstümmelung einsetzt. Ihre Befürchtung, das Bundesverfassungsgericht könne die religiös begründete Geschlechtsverstümmelung auch bei Mädchen erlauben, wenn es eine Ausnahmeregelung für Jungen gäbe, wirkt reichlich naiv. Ebenso wie ihr Vorschlag, man solle den Führern der Religionen nochmal eindringlich die negativen Folgen der Beschneidung vor Augen führen, dann würden sie vielleicht ganz von allein davon ablassen.

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So habe ihr Verein in Afrika auch mit Priestern von Naturreligionen verfahren, die weibliche Genitalverstümmelung befürwortet hätten. Unnötig zu sagen, dass die Gleichsetzung von weiblicher und männlicher Beschneidung die Diskussion nicht voranbrachte. Warum Müller eingeladen wurde, bleibt weitgehend rätselhaft.

Wolfgang Bühmann, Sprecher des Berufsverbandes der Deutschen Urologen, ist dagegen einer der wenigen, der tatsächlich Interesse an einem Dialog zeigt. Für ihn kollidiert die Beschneidung ohne medizinischen Grund mit dem ärztlichen Berufsrecht. Das besagt, dass Ärzte mit ihrer Behandlung Gesundheit erhalten oder verbessern müssen, dass sie Schaden abwenden oder Leiden mindern sollen. Bühmann fragt Dieter Graumann, wie er dieses Dilemma lösen könne. Der antwortet, dass er keinen Arzt zur Beschneidung zwingen wolle. Ohnehin gebe es im Judentum speziell ausgebildete Beschneider, genannt Mohels. Es ist ein seltener Moment des Konsens in der Sendung.

"Ohrfeige ist doch viel schädlicher"

Es ist an vielen Stellen Maischbergers unaufgeregter Gesprächsführung zu verdanken, dass die Diskussion lange sachlich und strukturiert bleibt und sich nicht in Details verrennt. Doch Maischberger kann nicht verhindern, dass sich die Gemüter immer mehr erhitzen und dann lächerliche oder ärgerliche Sätze fallen. "Es gibt viel mehr Menschen, die an Ufos glauben, als Juden die sich nicht beschneiden lassen", sagt Graumann dann und Müller vergleicht die Beschneidung mit der – gesetzlich verbotenen – Prügelstrafe: "Eine Ohrfeige ist doch viel weniger schädlich als die Beschneidung."

Dem widerspricht nicht Maischberger, sondern die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney. Die allerdings setzt den religiösen Brauch kurz darauf mit dem Stechen von Ohrlöchern bei Kindern gleich. Sie fragt Kelek, wann sie ihre Ohrlöcher bekommen habe. "Das habe ich frei entschieden", antwortet die mit sichtlicher Genugtuung. "Mit 25."

Und so bleibt am Ende nur Ratlosigkeit. Maischberger weist darauf hin, dass es nun am Bundestag liege, eine Lösung zu finden und später vielleicht auch am Bundesverfassungsgericht. Dann dankt sie ihren Gästen, dass sie "die vielen Schichten des Problems so deutlich gemacht haben". Zumindest das ist der Talkshow gelungen.