Zu wenige Kita-Plätze - aber Betreuungsgeld

Foto: Annette Hauschild/Ostkreuz
Fünf Kinder, fünf Betreuungsplätze. Glück gehabt!
Zu wenige Kita-Plätze - aber Betreuungsgeld
Ab August 2013 haben Eltern einen Anspruch auf einen Kita-Platz. Besonders die westdeutschen Städte werden es aber nicht schaffen, genug Plätze anzubieten. Familienministerin Schröder macht weiter Druck. Das Betreuungsgeld hilft ihr dabei nicht.
06.11.2012
epd
Bettina Markmeyer

Was haben Union und FDP jungen Eltern auf der Suche nach einem Kita-Platz eigentlich zu bieten? Wofür wollen sie wiedergewählt werden? Die Frage stellt sich, nachdem in der Nacht auf Montag beim Koalitionsgipfel erst das Betreuungsgeld ausgehandelt wurde und nur einen Tag später "überraschend niedrige Zahlen" zum Kita-Ausbau sichtbar für Frustration bei Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sorgten. 

Im März dieses Jahres fehlten in Deutschland noch 220.000 Plätze, hat das Statistische Bundesamt errechnet, 60.000 mehr als Schröder dachte. Die Ministerin nannte die Zahlen "ernüchternd" - und gab den westdeutschen Ländern die Schuld. Sie hätten seit dem Krippengipfel 2007 genügend Zeit gehabt, sich um den Ausbau zu kümmern. Den Städten und Gemeinden, die sich vor einer Klagewelle fürchten, trieb sie jede Hoffnung auf Schonung aus. Am Rechtsanspruch der Eltern werde "nicht gerüttelt". Er sei der Motor für den Kita-Ausbau. Sie stehe "an der Seite der Eltern", sagte Schröder: "Der Ausbau ist zu schaffen."

Wahlfreiheit: privat organisieren, zu Hause bleiben oder klagen

 

###mehr-artikel###Die Städte wissen es besser. Dem Deutschen Städtetag zufolge geben 60 Prozent der Eltern in den Großstädten in Umfragen an, dass sie einen Platz für ihr ein- oder zweijähriges Kind brauchen, weil sie arbeiten müssen. Viele Städte schafften es nicht bis zum Stichtag im August 2013 - wenn ein neues Kindergartenjahr beginnt und der Rechtsanspruch in Kraft tritt - diesen Eltern einen Platz anzubieten, warnt der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Stephan Articus.

Diese Eltern haben dann die Wahl, zu Hause zu bleiben, die Betreuung privat zu organisieren und/oder ihre Stadt zu verklagen. Dank der schwarz-gelben Koalition in Berlin bekommen sie dazu für die letzten fünf Monate des Jahres 500 Euro Betreuungsgeld. Das reicht in einer Stadt wie Berlin nicht einmal für einen Monat private Betreuung. Sie ist doppelt so teuer wie ein Platz in einer Kindertagesstätte und kostet etwa 800 Euro.

780.000 Betreuungsplätze für Kleinkinder wollten Bund und Länder bis zum August des kommenden Jahres schaffen, 30 Prozent bei Tagesmüttern. Auch da hinken die Länder hinterher, die Quote liegt bei 20 Prozent.

Wofür steht die Koalition? "An der Seite der Eltern" reicht nicht

Zweimal schon hat die Koalition in diesem Jahr versucht, das Ausbautempo zu erhöhen. Im Mai billigte das Kabinett einen Zehn-Punkte-Plan mit günstigen Krediten, abgesenkten Baustandards und Hilfen für die Gründung von Betriebskindergärten. Im September stellte Schröder dann noch einmal 580 Millionen Euro für 30.000 zusätzliche Plätze zur Verfügung, verärgerte die Länder aber mit der Forderung nach monatlichen Berichtspflichten. Die Lösung steht noch aus.

Doch wie glaubwürdig ist all dieses Drängen, wenn für das Betreuungsgeld künftig jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben werden soll? Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wider besseres Wissen wiederholt, 150 Euro im Monat dienten der "Wahlfreiheit" von Eltern, wie sie ihre Kleinkinder betreuen lassen wollen?

Schon erklären die Abweichler im eigenen Lager wieder, sie würden am Freitag im Bundestag trotz Koalitionsgipfel-Kompromiss gegen das Betreuungsgeld stimmen - so etwa die Parlamentarische Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper (FDP). Sie ist nicht die einzige. Wenn aber die schwarz-gelbe Geschlossenheit nicht einmal einen Tag anhält und gleichzeitig offenbar wird, dass die Koalition bei einem so fundamentalen Thema wie der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ihre eigenen Ziele nicht erreichen wird, wofür steht sie dann? "An der Seite der Eltern" wird im heraufziehenden Bundestagswahlkampf als Antwort nicht ausreichen.