Bielefeld (epd). Das Landgericht Bielefeld hat im Fall der diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen die Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld aus dem Jahr 2022 gegen drei Leitungskräfte und einen Arzt zugelassen. Die Staatsanwaltschaft wirft den vier Beschuldigten für den Zeitraum von 2014 bis 2019 Freiheitsentziehung, Körperverletzung und Beihilfe vor, wie das Landgericht mitteilte. (AZ: 1 KLs 446 Js 338/19 - 20/22)
„Sollte sich im Rahmen des nun beginnenden Verfahrens bestätigen, dass Klientinnen und Klienten Unrecht widerfahren ist, erfüllt uns das mit tiefer Anteilnahme und auch mit Scham“, erklärte der theologische Vorstand des Wittekindshofs, Marian Zachow. Die umfassende und transparente juristische Aufarbeitung werde ausdrücklich begrüßt.
Drei Leitungskräfte und ein Arzt beschuldigt
Bei den vier Angeschuldigten handelt es sich um Leitungskräfte und einen Arzt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen behinderte Menschen in einem sogenannten „Time-Out-Raum“ oder im eigenen Zimmer eingesperrt worden sein. Einigen der Angeklagten wird vorgeworfen, die freiheitsentziehenden Maßnahmen angewiesen zu haben. Das sei unter anderem der Fall gewesen, wenn die Bewohner ein eigen- oder fremdgefährdendes Verhalten gezeigt hätten.
Zu den Vorfällen soll es nach Angaben der Staatsanwaltschaft in einem heilpädagogischen Intensivbereich des Wittekindshofs gekommen sein, der nach Bekanntwerden der Vorwürfe aufgelöst wurde. In dem Bereich waren Menschen mit einer geistigen Behinderung und zusätzlichen schweren psychischen Störungen oder massiv herausforderndem Verhalten untergebracht.
Stiftung: Aus Fehlern der Vergangenheit lernen
„Die Vorwürfe der Freiheitsberaubung und Körperverletzung wiegen schwer und betreffen Ereignisse, die bereits seit sechs Jahren im Raum stehen und die Arbeit unserer Stiftung nachhaltig beeinflusst haben“, erklärte Zachow. „Für uns ist es selbstverständlich, dass wir vergangene Fehler anerkennen und daraus lernen.“
Der kaufmännische Vorstand Marco Mohrmann unterstrich, dass sich die aktuellen Vorwürfe „gegen einige wenige, inzwischen ehemalige Mitarbeitende“ richteten. Das dürfe nicht den Blick darauf verstellen, „dass rund 4.000 Mitarbeitende im Wittekindshof damals wie heute mit großem Engagement, hoher Fachlichkeit und Verantwortung für das Wohl unserer Klientinnen und Klienten einstehen“.
Ausgang von Beschwerdeverfahren wird abgewartet
Ein Verfahren mit weiteren Tatvorwürfen wurde nach Gerichtsangaben eingestellt. Einen weiteren Teil wollte das Gericht nicht zur Hauptverhandlung zulassen, weil einige Vorwürfe nicht hinreichend belegt seien. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingereicht. Für den weiteren Verfahrensgang sei zunächst der Ausgang des Beschwerdeverfahrens abzuwarten, erklärte das Gericht. Der Beschluss stammt nach Angaben des Gerichts von Anfang Dezember.
Der Fall war im Oktober 2019 bekannt geworden. Der theologische Vorstand der Stiftung erklärte, in den vergangenen Jahren seien „zahlreiche neue Herangehensweisen und Standards“ etabliert worden, „die auf das Empowerment und den Schutz der uns anvertrauten Menschen sowie auf die Stärkung und Unterstützung unserer Mitarbeitenden ausgerichtet sind“. Die mutmaßlichen Vorfälle seien Anlass, „unser Handeln kontinuierlich ehrlich und selbstkritisch zu reflektieren und weiterzuentwickeln“.



