Salvador da Bahia (epd). Der Oberste Gerichtshof in Brasilien hat die Rechte indigener Gemeinschaften gestärkt. Mit neun Stimmen und nur einer Gegenstimme haben die Richter eine Stichtagsregelung zur Auszeichnung von Schutzgebieten erneut abgelehnt, wie das Nachrichtenportal „Metropoles“ am Freitag berichtete. Die Abstimmung hatte bis in die Nacht angedauert, aber eine Mehrheit gegen das Vorhaben, das seit Jahren von der Agrarlobby forciert wird, war bereits am Donnerstag klar.
Nur Richter André Mendonca beharrte auf die Regelung, wonach indigene Gemeinschaften nur Anspruch auf Land haben, wenn sie beweisen können, dass sie darauf gelebt haben, als die brasilianische Verfassung 1988 in Kraft trat. Gekippt wurde auch die Vorschrift, dass Schutzgebiete nicht erweitert werden dürfen. Für Kritik sorgt hingegen die Entscheidung, dass illegale Besetzer das Land von Urvölkern erst dann räumen müssen, wenn sie eine Entschädigung erhalten haben.
Regelung vom rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro vorangetrieben
Die Stichtagsregelung (marco temporal) ist seit Jahren umstritten. Die Agrarlobby argumentiert, damit werde Rechtssicherheit hergestellt. Vertreter der indigenen Gemeinschaften hingegen sehen dadurch ihre Rechte verletzt, da viele ihrer Vorfahren beispielsweise während der Militärdiktatur (1964-1985) von ihrem angestammten Land vertrieben wurden.
Bereits 2023 erklärte das Oberste Bundesgericht die Stichtagsregelung für verfassungswidrig. Das Vorhaben ging nun zum zweiten Mal an den Obersten Gerichtshof, nachdem der Senat in der vergangenen Woche eine Verfassungsänderung verabschiedet hatte, die den Begriff enthält. Diese wird nun der Abgeordnetenkammer vorgelegt. Falls sie dort bestätigt wird, tritt sie in Kraft ohne Zustimmung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. In diesem Fall könnte es sein, dass der Oberste Gerichtshof ein drittes Mal über die Stichtagsregelung zu beraten hat.
Das Gesetzesprojekt kam 2009 auf und wurde in der Zeit des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro (2018 bis 2022) vorangetrieben, der damit die wirtschaftliche Ausbeutung im Amazonas-Regenwald vorantreiben wollte. Mehr als ein Drittel aller Indigenen-Gebiete wären laut den Behörden davon betroffen. Mehr als 300 indigene Völker leben heute in Brasilien mit insgesamt 1,6 Millionen Angehörigen.



