Berlin (epd). Die Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Deutschland, Katharina Thote hat vor den dramatischen Folgen fehlender Hilfe im Sudan gewarnt. „Dass wir trotz der großen Not nicht genug helfen können, ist wirklich erschütternd“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aufgrund rückläufiger Hilfsgelder könne das UNHCR derzeit kaum die grundlegenden Bedürfnisse wie Wasser oder Unterkünfte der Flüchtlinge decken.
Thote, die Ende November in den Tschad gereist war, berichtete von einer dramatischen Lage an der sudanesisch-tschadischen Grenze. Statt der von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen 20 Liter Wasser pro Tag stünden Flüchtlingen durchschnittlich nur fünf bis sechs Liter zur Verfügung - zum Kochen, Waschen und Trinken. Von allem gebe es zu wenig. Viele Neuankömmlinge leben laut Thote in selbstgebauten Hütten aus Stöcken und Plastikresten. Auch die medizinische Versorgung sei unzureichend. „In manchen Regionen kommt ein Arzt auf 50.000 Menschen“, berichtete die UNHCR-Vertreterin. Auch Lehrkräfte in Schulen seien teilweise seit Monaten nicht bezahlt worden. „Man fühlt sich machtlos“, beschreibt Thote die Situation.
Viele Sudanesinnen und Sudanesen erfahren Gewalt auf der Flucht
Der Tschad hat seit Beginn des jüngsten Konflikts im Sudan 2023 rund 900.000 sudanesische Flüchtlinge aufgenommen - zusätzlich zu den bereits 600.000 Flüchtlingen im Land. Hintergrund des Krieges ist ein Machtkampf zwischen der regulären Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz („Rapid Support Forces“), der im April 2023 eskalierte. Beiden Seiten werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Zuletzt drangen nach der Einnahme der Stadt Al-Faschir in der Darfur-Region durch die RSF Berichte über Massaker und Hinrichtungen an der Zivilbevölkerung nach außen.
Viele Sudanesinnen und Sudanesen erfahren auf ihrer Flucht Gewalt, häufig werden Familien auseinandergerissen. Thote berichtete von einer Frau, die versucht habe, ihren 16-jährigen Sohn vor bewaffneten Milizen zu retten. Er sei vor ihren Augen getötet worden. Mit gebrochenem Arm und zwei Töchtern sei sie wochenlang zu Fuß geflohen.
Humanitäre Organisationen haben nur 24 Prozent der benötigten Mittel
Trotz der katastrophalen Lage sieht Thote auch Hoffnungsschimmer: Der Tschad habe ein fortschrittliches Flüchtlingsgesetz verabschiedet, das Bewegungsfreiheit und Arbeitserlaubnis garantiere. Auch gemeinsame Landwirtschaftsprojekte mit der lokalen Bevölkerung zeigten Erfolge. Das größte Problem ist laut Thote jedoch die fehlende Finanzierung. Für 2026 stehen humanitären Organisationen für Flüchtlinge aus dem Sudan gerade einmal 24 Prozent der benötigten Mittel zur Verfügung. Wenn es bei dieser großen Finanzierungslücke bleibe, „werden wir 2026 weltweit noch viel schlimmere Auswirkungen sehen“, warnte Thote. Vor wenigen Wochen habe es einen Choleraausbruch im Tschad gegeben. Diese Krise werde viele Menschenleben kosten.



