Berlin, Santiago (epd). Die chilenische Bevölkerung wählt am Sonntag in einer richtungsweisenden Stichwahl ein neues Staatsoberhaupt. Erstplatzierte der ersten Runde am 16. November war die ehemalige Arbeitsministerin und gemäßigte Kommunistin Jeannette Jara mit 26,9 Prozent der Stimmen. Auf den zweiten Platz kam der ultrarechte Politiker José Antonio Kast mit 23,9 Prozent der Stimmen. Für die Stichwahl gilt Kast laut Umfragen als Favorit. Für die über 15 Millionen Wählerinnen und Wähler ist die Teilnahme an der Abstimmung obligatorisch.
Kast tritt bereits zum dritten Mal zur Wahl an und wird voraussichtlich einen Großteil der Stimmen der rechtsradikalen bis rechten Kandidaten auf sich vereinen können, die es nicht in die Stichwahl geschafft haben. Zusammen haben sie im November rund 50 Prozent der Stimmen erreicht. Ein Grund dafür ist ein derzeit in Chile weitverbreitetes Klima der Angst vor Kriminalität, das kaum durch Statistiken belegbar ist. Alle politischen Parteien machen dafür zumindest teilweise die Migrantinnen und Migranten verantwortlich.
Kriminalitätsbekämpfung versus Sozialreformen
Auch Kast setzt seinen Schwerpunkt auf die Kriminalitätsbekämpfung und verspricht mit harter Hand gegen irreguläre Migration vorzugehen. Im Vergleich zu früheren Wahlen hat er seinen Diskurs allerdings stark gemäßigt. Fragen zur Militärdiktatur 1973 bis 1990 weicht er aus und äußert sich nicht mehr positiv über Diktator Augusto Pinochet.
Auch die Kommunistin Jeannette Jara versucht, mit einem gemäßigten Kurs Wähler und Wählerinnen der politischen Mitte zu erreichen. Sie war Arbeitsministerin unter dem derzeitigen linken Präsidenten Gabriel Boric und plant ebenfalls, Migration stärker zu regulieren, setzt allerdings ihren Schwerpunkt auf soziale Themen wie eine Erhöhung des Mindestlohns. Da bei der Neubesetzung des Parlaments bei der November-Wahl keine Koalition eine absolute Mehrheit erreicht hat, wird das künftige Staatsoberhaupt mit der Opposition verhandeln müssen, um regierungsfähig zu sein.



