Köln (epd). Das Erzbistum Köln hat laut Medienberichten einer mehrfach von einem Priester missbrauchten Frau 360.000 Euro als freiwillige Anerkennungsleistung gezahlt. Nach einer ersten Zahlung von 70.000 Euro vor zwei Jahren habe die heute 59-Jährige nun weitere 290.000 Euro erhalten, berichtet der „Kölner Stadtanzeiger“ (Donnerstag) auf Basis einer gemeinsamen Recherche mit dem WDR. Es sei die zweithöchste Summe, die im Bereich der fünf nordrhein-westfälischen Bistümer je gezahlt wurde. Das Erzbistum äußerte sich auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) zunächst nicht dazu.
Die Frau ist die Pflegetochter eines 2022 zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilten Ex-Priesters und Serientäters. Er hatte das damals minderjährige Opfer dem Bericht zufolge in den 1980er Jahren jahrelang schwer missbraucht.
Anerkennungsleistungen sind freiwillige Zahlungen
Die Frau fordert in einem Zivilprozess vom Erzbistum Köln eigentlich ein Schmerzensgeld in Höhe von mehr als 800.000 Euro. Das Landgericht Köln hatte ihre Klage im Sommer allerdings abgewiesen (AZ: 5 O 220/23). Es bestünden keine Amtshaftungsansprüche und auch keine Haftung des Erzbistums Köln wegen unterlassener Sorgfalts- und Fürsorgepflichten, hieß es in dem Urteil. Das Gericht ordnet die Missbrauchstaten des früheren Priesters in dessen Privatbereich ein. Vor dem Oberlandesgericht Köln läuft nun eine Berufungsklage.
Die Anerkennungsleistungen für Opfer von sexualisierter Gewalt werden freiwillig von der katholischen Kirche gezahlt. Seit 2021 entscheidet die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen über die individuelle Höhe der Leistungen. Ihr Tätigkeitsbericht weist für 2024 in 27 Fällen Zahlungen über 250.000 Euro aus, 2023 waren es nur vier Zahlungen in dieser Größenordnung. Das Schmerzensgeld-Urteil in Höhe von 300.000 Euro zugunsten eines ehemaligen Messdieners, der in den 1970er-Jahren von einem Pfarrer missbraucht worden war, wirkt sich seit 2023 auf die Zahlungen aus.
Missbrauchsbeauftragte Claus: Viele Missbrauchsbetroffene auch in Armut
Der Sprecher der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, forderte mehr Transparenz bei Entscheidungen über die Anerkennungsleistungen. „Das Verfahren funktioniert nicht richtig, es ist nicht transparent, es ist nicht so zugänglich, wie es sein müsste“, sagte er am Donnerstag dem Radiosender WDR 5. Die nun vom Erzbistum Köln gezahlte Summe sei „ein Zeichen“, dass es sich lohne, Druck auf die katholische Kirche auszuüben, sagte Katsch. In der Mehrheit der Fälle würden Anerkennungsleistungen von unter 20.000 Euro gezahlt. Die höheren und angemesseneren Summen seien eher die Ausnahme. Dahinter stecke offensichtlich Druck durch Juristen und Klagen.
Die unabhängige Bundesbeauftragte gegen Missbrauch, Kerstin Claus, sagte dem WDR, dass die Zahlung hoher Summen wichtig sei, auch wenn kein „Betrag der Welt“ eine verlorene Kindheit und Jugend wettmachen könne. Betroffene massiver sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend seien häufig armutsbetroffen.



