Berlin, Johannesburg (epd). Die Lage der Zivilgesellschaft in Deutschland hat sich laut einem aktuellen Ländervergleich zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren verschlechtert. Laut dem am Dienstag im südafrikanischen Johannesburg veröffentlichten „Civicus Monitor“ gilt die Bundesrepublik nicht mehr als „beeinträchtigt“, sondern als „beschränkt“. Das zuständige internationale Netzwerk für bürgerschaftliches Engagement, Civicus, verwies auf die Herabstufung von „offen“ auf „beeinträchtigt“ im Jahr 2023: „Die Verschlechterung des zivilgesellschaftlichen Handlungsraums in Deutschland hat sich in alarmierendem Tempo vollzogen.“
Civicus begründete die Abstufung mit einem anhaltenden und umfassenden Vorgehen gegen Solidaritätsbekundungen mit Palästina, bei dem Demonstrantinnen und Demonstranten „mit schwerer Polizeigewalt konfrontiert und zivilgesellschaftliche Organisationen Razzien und Kürzungen der Finanzmittel ausgesetzt sind“. Die Beschränkungen für Pro-Palästina-Demos kritisierte das Netzwerk als „übermäßig weit gefasst“. Wer an solchen Kundgebungen teilnehme, über sie berichte oder sie als Parlamentarierin oder Parlamentarier beobachte, sei „ständig schwerer Polizeigewalt ausgesetzt, darunter Einkesselungen, Pfefferspray, Schläge und Würgegriffe“.
„Einschüchterung der Meinungsfreiheit“
Regierungen in ganz Europa versuchten, „diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen Völkermord aussprechen“. Deutschland stehe hierbei „absolut an vorderster Front“, kritisierte die für Europa zuständige Forscherin des Civicus-Monitorings, Tara Petrovic. „Statt diejenigen zu unterstützen, die sich für Menschenrechte einsetzen, hat Deutschland Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichgesetzt, was zu einer landesweiten Einschüchterung der Meinungsfreiheit, einer Ermutigung der Rechten und einer Unterdrückung der Stimmen der Zivilgesellschaft geführt hat.“
Deutschland reihe sich mit der Einstufung in eine Liste von weltweit 39 Ländern ein, die die gleiche Einstufung erhalten hätten, darunter Ungarn, Brasilien und Südafrika. In Ungarn ist die Rechtsstaatlichkeit unter dem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban nach Einschätzung zahlreicher Beobachter in der Krise.



