Berlin (epd). Bundesweit haben Schülerinnen und Schüler gegen den vom Bundestag beschlossenen Wehrdienst demonstriert. Parallel zur abschließenden Debatte und Abstimmung im Parlament gingen am Freitag Tausende junge Menschen gegen das Vorhaben auf die Straße. „Wir wollen nicht ein halbes Jahr unseres Lebens in Kasernen eingesperrt sein, zu Drill und Gehorsam erzogen werden und töten lernen“, hieß es in dem bundesweiten Aufruf zum „Schulstreik“.
Das vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht ab nächstem Jahr eine Musterungspflicht für junge Männer von 18 Jahren und das verpflichtende Ausfüllen eines Fragebogens vor. Obwohl der Wehrdienst selbst freiwillig ist und die Möglichkeit zur Kriegsdienst-Verweigerung bestehen bleibt, standen die Protestaktionen unter dem Motto „Schulstreik gegen Wehrpflicht“. Die Organisatoren listeten auf einer Projekt-Webseite Aktionen in fast 90 Städten und Regionen auf.
Unterstützung durch Gewerkschaften und Eltern
Das organisierende Komitee teilte am Mittag mit, dass sich bis 13 Uhr bereits 40.000 Schülerinnen und Schüler in mehr als 80 Städten an den Kundgebungen beteiligt hätten. Zu dieser Zeit hatten noch gar nicht alle Aktionen zu dem Streiktag begonnen. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz etwa sollten die Proteste erst am Abend beginnen.
In Berlin startete die erste Kundgebung am Mittag in Kreuzberg. Die Polizei sprach nach einer Stunde von rund 1.000 Teilnehmenden, rechnete durch weiteren Zustrom allerdings mit einer noch wachsenden Teilnehmerzahl. Ab 16 Uhr war in der Bundeshauptstadt eine „Demo für Alle“ zum Rathaus Neukölln geplant. Unterstützt wurde der Protest von der Bildungsgewerkschaft GEW. An vielen Orten hätten außer der GEW auch Eltern und Lehrkräften den Protest unterstützt, fasste ein Sprecher der Organisatoren zusammen.
Forderung nach Sondervermögen für Bildung statt für Rüstung
In teils emotionalen Reden kritisierten die Jugendlichen beispielsweise in Magdeburg das erklärte Ziel „Kriegstüchtigkeit“. „Ich will einen Staat, der ein Sondervermögen für Bildung schafft, nicht für Waffen“, forderte ein Schüler in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Andere Redner kritisierten, dass junge Menschen bei den Überlegungen zum neuen Gesetz nicht eingebunden worden seien. In Saarbrücken war auf Plakaten zu lesen: „Von unten gegen die Kriege von oben. Krieg dem Krieg“ oder „Wehrpflicht Nein Digga“.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es Kundgebungen unter anderem in Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Essen, Dortmund und Münster. Dabei fanden sich nach Polizeiangaben bis zu mehrere Hundert Teilnehmer ein. Laut Polizei verliefen die Aktionen ohne größere Zwischenfälle.
Eine der größten Veranstaltungen fand nach Polizeiangaben in Göttingen statt. Dort demonstrierten in der Spitze rund 1.000 Teilnehmende und vereinten aus insgesamt acht sogenannten Zubringerdemos eine Hauptdemonstration. „Die Lage führte zu einigen Verkehrsbeeinträchtigungen, es blieb aber insgesamt friedlich“, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Konsequenzen wegen verpasstem Unterricht drohen
Viele der Schulstreiks fanden nach dem Vorbild der Klimaproteste von „Fridays for Future“ während der Unterrichtszeit am Vormittag statt. Die Bundesschülerkonferenz hatte im Vorfeld dazu aufgerufen, Schülerinnen und Schüler für die geplanten Proteste vom Unterricht freizustellen. Viele Schulen lehnten das ab. „Wer während der Unterrichtszeit zur Demonstration geht, fehlt unentschuldigt“, hieß es etwa bei den evangelischen Schulen in Berlin und Brandenburg. Das Streikkomitee sprach daher von „Repression und Drohungen durch Bildungsministerien, Schulleitungen und Versammlungsbehörden“.
Aus Sicht des Deutschen Anwaltvereins können Schülerinnen und Schüler „einen Anspruch auf Unterrichtsbefreiung haben“, wie der Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Wilhelm Achelpöhler, auf epd-Anfrage erklärte. Bei den Klimaprotesten von „Fridays for Future“ habe sich gezeigt, „dass Ordnungsmaßnahmen umso weniger eine Rolle spielten, je mehr Schülerinnen und Schüler an den Demonstrationen teilnahmen“.
Die Initiatoren wollen auch künftig „jedem Schritt zur Einführung der Wehrpflicht etwas entgegensetzen“. Sie kündigten für den 5. März den nächsten Schulstreik an, „der noch größer und stärker werden soll“.



