Kürzung von HIV-Programmen: Expertin warnt vor steigenden Fallzahlen

Kürzung von HIV-Programmen: Expertin warnt vor steigenden Fallzahlen
Medizinisch sind die Möglichkeiten zur Kontrolle des HI-Virus hoch entwickelt. Allerdings könnten Kürzungen bei Gesundheitsprogrammen diese Fortschritte gefährden, warnt die Epidemiologin Berit Lange vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.
28.11.2025
epd
epd-Gespräch: Daniel Behrendt

Braunschweig, Hannover (epd). Vor dem Welt-Aids-Tag am 1. Dezember hat die Epidemiologin Berit Lange vor möglichen Folgen durch ein Zurückfahren von Gesundheitsprogrammen wie dem UN-Aidsprogramm UNAIDS gewarnt. Nach der drastischen Kürzung der US-Entwicklungshilfe durch die Trump-Regierung im Frühjahr drohten Rückschritte im Kampf gegen das HI-Virus. „Wenn die HIV-bezogenen Gesundheitsprogramme längerfristig geschwächt oder gar unterbrochen werden, ist ein Anstieg der Neuinfektionen praktisch unvermeidbar“, sagte die Leiterin der Epidemiologie am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.

Lange betonte, flächendeckende Behandlungs- und Diagnosesysteme, die vor allem in Niedrigeinkommensländern erst durch Hilfsprogramme ermöglicht würden, hätten sich als wirksamste Maßnahmen erwiesen, um HIV zurückzudrängen. Bitter sei der Ausstieg des größten Geldgebers aus dem UN-Programm auch, weil es zahllose Menschen vor einer Ansteckung mit dem HI-Virus schütze oder ihnen trotz einer Infektion ein Leben ohne Aids-Erkrankung ermögliche.

„Wir haben weit entwickelte Diagnose-, Prophylaxe- und Therapiemöglichkeiten, die Übertragungen extrem wirksam verhindern und Infizierten ein gesundes, weitgehend normales Leben ermöglichen. Es wäre nicht nachvollziehbar, diese Möglichkeiten nicht zum Wohl möglichst vieler Menschen zu nutzen“, unterstrich Lange, die auch Professorin für Infektionsepidemiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover ist.

97.700 Menschen leben in Deutschland mit HIV

Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten seien Einsparungen bei der HIV-Prophylaxe alles andere als klug. „Weil HIV das Immunsystem schwächt, sind Betroffene anfällig für weitere Infektionskrankheiten, die ihrerseits ebenfalls medizinischer Versorgung bedürfen“, erläuterte Lange. Nachgewiesen sei etwa, dass ein Anstieg von HIV-Fallzahlen eine Ausbreitung von Lungentuberkulose begünstige.

In Deutschland liegt die Zahl der HIV-Neuinfektionen auf relativ konstantem Niveau. 2024 haben sich nach aktuellen Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) etwa 2.300 Menschen mit HIV infiziert - rund 200 mehr als im Vorjahr. Zum Ende des vergangenen Jahres lebten den Berechnungen zufolge insgesamt 97.700 Menschen mit HIV in Deutschland, 8.200 davon mit einer nicht diagnostizierten Infektion. In nahezu allen nachgewiesenen Fällen erhalten die Betroffenen eine sogenannte antiretrovirale Therapie. Dank dieser kann HI-Viruslast im Körper derart gesenkt werden, dass der Erreger im Blut nicht mehr nachweisbar und eine Übertragung nicht mehr möglich ist.