Intensivmediziner: "Viele Patientenverfügungen sind nutzlos"

Intensivmediziner: "Viele Patientenverfügungen sind nutzlos"
Ist "Leben retten um jeden Preis" erstrebenswert? Welche Fragen im Notfall zählen, sollten Menschen am besten vorher geklärt haben. Ein Mediziner gibt Tipps für die Patientenverfügung.
25.11.2025
epd
epd-Gespräch: Evelyn Sander

Hamburg, Essen (epd). Was passiert, wenn das eigene Leben plötzlich auf der Kippe steht? Retten um jeden Preis? „Viele Menschen machen sich vorher nicht bewusst, was das genau bedeutet“, sagt Christian Waydhas, Intensivmediziner und Chirurg im Leitungsteam der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Essen. Jeder zehnte Deutsche stirbt beatmet auf einer Intensivstation: „Ein Ende, das die wenigsten wollen.“

„Unbequeme Fragen zum Lebensende werden gerne verdrängt“, so Waydhas. Doch in lebensbedrohlichen Situationen seien Patientinnen und Patienten oft nicht mehr ansprechbar. Deshalb sei es so wichtig, dass sich jeder Mensch mit seinem eigenen Lebensende beschäftigt. „Der Tod gehört doch für uns alle zum Leben dazu“, sagt er. In einer Patientenverfügung sollten Wünsche zur Behandlung im Notfall festlegt werden. Ist nichts geregelt, müssten Angehörige oft unter Zeit- und hohem emotionalen Druck die Entscheidungen treffen. „Das ist eine enorme Belastung“, sagt Waydhas.

Mittlerweile hätten 45 Prozent der über 50-Jährigen eine solche Verfügung. „Ein positiver Trend“, so der Mediziner. Doch in der Praxis seien viele dieser Dokumente nutzlos. Mal seien Formulierungen unklar, der eingetroffene Notfall sei nicht aufgeführt oder zwei gleichrangige Bevollmächtigte könnten sich nicht einigen. Waydhas rät daher, bei den Bevollmächtigten eine Reihenfolge festzulegen. Zudem sollte eine Patientenverfügung immer wieder aktualisiert werden. „Besonders wichtig ist es, mit Angehörigen über Wünsche zu sprechen, um weniger Raum für Interpretationen zu bieten“, erklärt der Mediziner.

Wer sich an seine Patientenverfügung setzt, sollte sich dabei Unterstützung von medizinischen Fachleuten holen. „Hier gibt es zu wenig Austausch“, stellt er fest. Es müsse zum Beispiel abgewogen werden, wie hoch Überlebenschancen an der Lungenmaschine sind oder in welchem Zustand Menschen nach einer Reanimation weiterleben werden. Eine Studie habe die Wirkung von Aufklärung verdeutlicht: Werden Menschen von Medizinern über Folgen und Erfolgschancen von Wiederbelebungen aufgeklärt, würden sie sich eher dagegen entscheiden. Waydhas: „Nicht alles, was technisch möglich ist, muss gut für den Einzelnen sein.“