Bürgergeld-Stopp für ukrainische Geflüchtete passiert das Kabinett

Bürgergeld-Stopp für ukrainische Geflüchtete passiert das Kabinett
Von "grundfalsch" bis "Schnapsidee": Die im Kabinett beschlossene Umgruppierung ukrainischer Geflüchteter vom Bürgergeld ins Asylbewerberleistungsgesetz sorgt für viel Unmut. Kritiker rufen den Bundestag auf, das Vorhaben zu stoppen.
19.11.2025
epd
Von Christina Neuhaus (epd)

Berlin (epd). Begleitet von scharfer Kritik hat das Bundeskabinett am Mittwoch den Bürgergeld-Stopp für bedürftige Geflüchtete aus der Ukraine beschlossen. Für sie soll stattdessen das Asylbewerberleistungsgesetz gelten - mit deutlich niedrigeren Regelsätzen und schlechterer Gesundheitsversorgung. Sparen wird der Staat voraussichtlich trotzdem nichts.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte die damalige Bundesregierung eine Sonderregelung für von dort eintreffende Geflüchtete beschlossen. Seit dem 1. Juni 2022 hatten sie Anspruch auf Bürgergeld. Sie dürfen auch sofort arbeiten und bekommen Unterstützung durch die Jobcenter. Nun soll diese Regelung zurückgenommen werden für Menschen, die seit dem 1. April in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben.

Das bedeutet unter anderem weniger Geld: Die Regelsätze im Asylbewerberleistungssystem liegen ungefähr ein Fünftel unter denen im Bürgergeld. Eigenes Vermögen muss praktisch komplett aufgebraucht werden, bevor staatliches Geld fließt. Außerdem werden weniger Gesundheitsleistungen bezahlt.

Verpflichtung zu kommunalen Arbeitsgelegenheiten

Für die Betroffenen fällt zudem der im Bürgergeld bestehende Anspruch auf Beratung im Jobcenter weg. Sie müssen sich aber weiter um Arbeit bemühen und können andernfalls zu kommunalen „Arbeitsgelegenheiten“ wie Laubharken oder Müllsammeln verpflichtet werden, die mit 80 Cent pro Stunde entlohnt werden. Laut dem Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium werden die staatlichen Ausgaben durch die Änderungen nicht sinken, sondern leicht steigen.

Während Ressortchefin Bärbel Bas (SPD) kürzlich im Bundestag sagte, sie bedaure die Maßnahme, wurde diese am Mittwoch von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gelobt. Der Rechtskreiswechsel sei „von hoher Bedeutung“, sagte er in Berlin. Bas äußerte sich am Mittwoch nicht.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), sagte vor der Kabinettsitzung dem Nachrichtenmagazin „Politico“, sie sehe integrationspolitisch „eine große Gefahr“. Mit dem Programm „Job-Turbo“ sowie Sprachkursen kämen Menschen aus der Ukraine derzeit „immer besser in Arbeit“ und finanzierten ihr Leben zunehmend selbst, sagte Pawlik. „Das droht jetzt, konterkariert zu werden.“

Gewerkschaft setzt auf Änderungen im Bundestag

Als „grundfalsch“ bezeichnete die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di das Vorgehen der Regierung. Bundesvorstandsmitglied Rebecca Liebig erklärte, die Regelung bringe große Nachteile für die Arbeitsmarktintegration. Sie hoffe, dass der Gesetzentwurf „im Zuge der parlamentarischen Beratungen deutlich verändert wird“. Die Kinderschutzorganisation Save the Children urteilte, es handele sich um „ein Gesetz, das niemandem dient - außer dem Koalitionsfrieden“.

Scharfe Kritik kam auch von der Opposition. Linksfraktionsvize Clara Bünger erklärte, das Gesetzesvorhaben sei „auf allen Ebenen falsch und muss gestoppt werden“. Union und SPD wollten „Schutzsuchende schikanieren, um rechte Forderungen zu bedienen, koste es, was es wolle“.

Der Grünen Sozialpolitiker Timon Dzenius sprach im Berliner „Tagesspiegel“ (Mittwoch) von einer „Schnapsidee“. Die Maßnahme sei „sozialpolitisch falsch, integrationspolitisch schädlich und haushaltspolitisch widersinnig“, urteilte Dzenius.