Bundesgerichtshof: Angehörige haben Vorrang als Betreuer

Bundesgerichtshof: Angehörige haben Vorrang als Betreuer
Gibt es Zweifel an der Eignung einer Mutter als Betreuerin ihres behinderten Kindes, muss ein Gericht die Frau persönlich anhören, entschied der BGH.

Karlsruhe (epd). Der Wunsch eines volljährigen behinderten Kindes auf Betreuung durch einen engen Familienangehörigen hat grundsätzlich Vorrang vor der Bestellung eines Berufsbetreuers. Gibt es Zweifel an der Eignung einer Mutter als Betreuerin, muss das zuständige Gericht dem auf den Grund gehen und die Frau hierzu persönlich anhören, forderte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 513/24)

Ohne eine Anhörung verletzt das Gericht seine Amtsermittlungspflicht, so dass die Bestellung eines Berufsbetreuers nicht zulässig ist, erklärten die Karlsruher Richter. Im Streitfall ist ein volljähriges behindertes Kind auf eine Betreuung angewiesen. Sein Vater wurde als Betreuer bestellt. Falls dieser seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann, wünschte sich das Kind die Mutter als Verhindungsbetreuerin.

Eignung auf Grundlage von Mitteilungen Dritter eingeschätzt

Sowohl das Amtsgericht Viechtach als auch das Landgericht Deggendorf lehnten dies ab. Sie bestellten einen Berufsbetreuer für die Verhinderungsbetreuung. Das Landgericht begründete dies mit Mitteilungen einer dritten Person, nach der die Mutter für die Betreuung nicht geeignet sei. Danach verfüge sie nicht über die „notwendigen sozialen Fähigkeiten“. Sie sei unfähig zur sachlichen Kommunikation und übe eine eigennützige Einflussnahme auf das Leben ihrer Tochter aus.

Der BGH hob diese Entscheidung auf und verwies das Verfahren an das Landgericht zurück. Sei eine Betreuung notwendig, hätten bei der Auswahl des Betreuers die familiären Beziehungen des Volljährigen Vorrang, insbesondere zum Ehegatten, zu Eltern und zu Kindern. Dies diene dem Schutz von Ehe und Familie. Wünsche sich eine Betroffene einen bestimmten Betreuer, sei dies ausreichend. Weder müsse die Betroffene hierfür geschäftsfähig noch einsichtsfähig sein.

Amtsermittlungspflicht verletzt

Ungeeignet sei ein Angehöriger, wenn er mit der Betreuung nur eigenen Interessen verfolgt oder sogar ein Missbrauch der betroffenen Person zu befürchten ist.

Im konkreten Fall habe das Landgericht zwar Zweifel an der Eignung der Mutter als Verhinderungsbetreuerin angeführt. Diese basierten aber nur auf Mitteilungen einer dritten Person. Indem das Landgericht die Mutter hierzu nicht persönlich angehört hat, habe es seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Die Bestellung eines Berufsbetreuers zur Verhinderungsbetreuung sei verfahrensfehlerhaft und damit rechtswidrig erfolgt.