Brüssel, Berlin (epd). Fünf Tage vor der Weltklimakonferenz haben sich die EU-Umweltminister auf einen Klimaschutzbeitrag für 2035 geeinigt. Bei dem am Mittwochfrüh nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon vereinbarten Emissionsminderungsziel handelt es sich um einen Korridor zwischen 66,25 und 72,5 Prozent gegenüber 1990. „Eine andere Position war leider gestern nicht mehr erreichbar gewesen“, sagte Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) am Mittwoch in Berlin. Bei der Festlegung des europäischen Beitrags galt das Prinzip der Einstimmigkeit. „Ich hätte gerne die 72,5 Prozent vereinbart“, sagte Schneider.
Mit dem Kompromiss verhindert die EU, mit leeren Händen zur Weltklimakonferenz COP30 zu reisen, die am kommenden Montag in Belém beginnt. Mit Blick auf das Treffen warnte Schneider: „Die größte Gefahr oder der mächtigste Gegner für Klimaschutz ist Fatalismus und Resignation.“ Von Scheitern zu sprechen, bringe niemanden weiter. Stattdessen verwies er auf Fortschritte im internationalen Klimaschutz. Die vorhergesagte Erderwärmung sei „dank gemeinsamer Anstrengungen“ von 5 bis 6 Grad auf 2,5 bis 3 Grad gesunken. „Das ist noch zu viel, aber es ist schon mal eine Reduktion um fast die Hälfte“, sagte Schneider.
Vor zehn Jahren hat sich die Weltgemeinschaft mit dem Pariser Abkommen das Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
#Entwicklungsministerin fordert „mehr Tempo und mehr Willen“
Auch Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) mahnte mit Blick auf die Konferenz „mehr Tempo und mehr Willen“ an. Es sei ein wichtiges Zeichen, dass die Bundesregierung in Belém geschlossen und stark auftrete, denn „der Multilateralismus ist angegriffen“, warnte die Ministerin. Neben der Entwicklungsministerin und dem Umweltminister wird auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach Belém reisen. Am Donnerstag und Freitag treffen sich dort vor dem offiziellen Beginn der Klimaverhandlungen die Staats- und Regierungschefs.
Der europäische Klimaschutzbeitrag für 2035, mit dem die EU nach Belém reist, leitet sich aus dem Klimaziel für 2040 ab, um das die EU-Mitgliedsstaaten lange gerungen haben. Das besagt, dass in den kommenden 15 Jahren die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken sollen. Allerdings muss die EU ihre Emissionen real nur um 85 Prozent senken - die restlichen fünf Prozent kann sie sich durch Ausgleichsprojekte im Ausland anrechnen lassen, wie Klimakommissar Wopke Hoekstra in Brüssel erklärte. Auch an anderen Stellen schwächten die Minister den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission deutlich ab.
#Auch Klimaschutzprojekte in Drittstaaten sollen anrechenbar sein
Europa hat sich im EU-Klimagesetz verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Als erstes Etappenziel sollen die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent sinken. Mit dem nun beschlossenen Zwischenziel für 2040 legt die EU ihren Fahrplan für den weiteren Weg fest. In begrenztem Umfang von fünf Prozent sollen künftig auch Klimaschutzprojekte in Drittstaaten auf das Klimaziel anrechenbar sein.
Die Minister beschlossen zudem eine weitreichende Revisionsklausel, die den EU-Staaten mehr Flexibilität einräumen soll, falls sich die Klimapolitik negativ auf die Wirtschaft auswirken sollte. Außerdem einigten sie sich darauf, den Start des neuen Emissionshandelssystems ETS II für Gebäude und Verkehr um ein Jahr auf 2028 zu verschieben. Das System galt bislang als zentrales Instrument, um CO2 teurer zu machen und den Markt zu klimafreundlicheren Lösungen zu bewegen.
Die Reaktionen auf die Einigung fielen gemischt aus. Die Co-Direktorin Europa bei Agora Energiewende, Frauke Thies, erklärte: „Das 90-Prozent-Ziel zeigt, dass die Richtung stimmt. Doch die Details geben Anlass zur Sorge. Die stärkere Nutzung internationaler Zertifikate wird erhebliche Mittel aus der EU abfließen lassen.“ Entscheidend werde nun sein, dass diese Zertifikate strengen Qualitätsstandards genügen.
Im Hinblick auf den Klimaschutzbeitrag (NDC) kritisierte Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland: „Es ist ernüchternd, dass sich die Minister nicht auf das obere Ende des Korridors als Beitrag einigen konnten.“



