Berlin (epd). Knapp ein Jahr nach dem Machtwechsel in Syrien diskutiert die Bundesregierung über den Umgang mit Geflüchteten aus dem Land. Gespräche über mögliche Abschiebungen nach Syrien seien „weit fortgeschritten“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag in Berlin. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte sich vor wenigen Tagen bei einem Besuch vor Ort erschüttert über die Lage gezeigt. Vize-Regierungssprecher Steffen Meyer versicherte dennoch, es gebe „inhaltlich überhaupt keinen Dissens“.
Wadephul hatte in der vergangenen Woche Syrien besucht. Er äußerte dort angesichts der Zerstörungen große Zweifel daran, dass Geflüchtete bald in das Land zurückkehren könnten. Aus CDU und CSU kam teils harsche Kritik an Wadephuls Aussagen.
Frei: Wir möchten, dass Rückkehr möglich ist
Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) rief am Montag im Deutschlandfunk zu einer differenzierten Betrachtung auf. Dass ein würdiges Leben nicht möglich sei, könne man aus seiner Sicht nicht für ganz Syrien sagen: „Es scheint dort sehr ungleiche Situationen zu geben.“ Der CDU-Politiker stellte heraus: „Wir möchten, dass Syrien stabilisiert wird. Und wir möchten, dass eine Rückkehr der Menschen nach Syrien möglich ist.“
Vize-Regierungssprecher Meyer sagte in Berlin ebenfalls, der Bundesregierung sei es wichtig, dass sich die Lage vor Ort stabilisiere. Dazu wolle Deutschland beitragen - hier sei sich die Regierung völlig einig. Genau deshalb sei auch Wadephul nach Syrien gereist. Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen, um zukünftig wieder Abschiebungen nach Syrien zu ermöglichen, sagte Meyer und verwies auf den Koalitionsvertrag. Dort heißt es: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben - beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“
Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, Wadephul habe sich im Zusammenhang mit der freiwilligen Rückkehr von Syrerinnen und Syrern geäußert. Der Einsatz Deutschlands für Stabilisierung und Wiederaufbau diene auch dem Ziel, diese Rückkehr zu ermöglichen.
Heimatbesuch bedeutet Riskieren des Schutzstatus
Allerdings riskieren Geflüchtete aus Syrien, die sich die Lage vor Ort anschauen wollen, weiterhin den Verlust des Schutzstatus in Deutschland. Es sei nach „eingehender Prüfung“ entschieden worden, diese Regelung nicht zu ändern, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von einem Heimatbesuch erfahre, müsse es laut Asylgesetz den Widerruf des Schutzstatus für die jeweilige Person prüfen. Der Außenamtssprecher wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern, ob sein Ministerium dies für sinnvoll hält.
Zur Frage, um welche Zahlen es bei der Planung von Abschiebungen gehe, sagte der Sprecher des Innenministeriums, mit Stand vom August seien rund 920 Menschen aus Syrien vollziehbar ausreisepflichtig. Weitere 9.780 seien ebenfalls ausreisepflichtig, hätten aber einen Duldungsstatus. Insgesamt leben dem Sprecher zufolge gut 950.000 Syrerinnen und Syrer in Deutschland.
Nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg hatte eine Rebellenkoalition unter Führung der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) im vergangenen Dezember das diktatorische Regime des Präsidenten Baschar al-Assad in Syrien gestürzt. Ende Januar wurde HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa zum Interimspräsidenten ernannt.



