Nairobi, Khartum (epd). Die Konfliktforscherin Hager Ali kritisiert eine mangelnde Aufmerksamkeit für den Krieg im Sudan. Es werde eine Verschiebung der Prioritäten von Ländern wie Deutschland deutlich, sagte die Sudan-Expertin vom Giga-Institut für Global- und Regionalstudien dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Konflikt tangiere weder die nationale Sicherheit noch direkt die Migration - und Deutschland wende seinen Blick weg von Entwicklungshilfe hin zu eigenen Verteidigungsthemen. Zum Beispiel komme der Gedanke an eine militärische Intervention in dem nordostafrikanischen Land in der Debatte gar nicht vor.
Zudem habe der Krieg im Sudan ein „Storytelling-Problem“, erklärte Ali. Es sei kein „Gut gegen Böse“, sondern der Krieg eines Militärs mit schwieriger Geschichte gegen einen Paramilitär mit problematischer Zukunft. Als der Krieg im April 2023 begann, habe es für die kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz keine Begrifflichkeit gegeben, und bis heute falle internationalen Akteuren eine Einordnung schwer.
Im Sudan war im April 2023 ein Machtkampf zwischen der Armee und der RSF-Miliz eskaliert. Der Krieg hat eine der schwerwiegendsten humanitären Katastrophen der jüngeren Vergangenheit ausgelöst. Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Zuletzt drangen nach dem Einmarsch der Paramilitärs in die Stadt Al-Faschir Berichte über Massaker an der Zivilbevölkerung nach außen.
Ali kritisierte auch die Einmischung anderer Staaten in den Krieg. Mit ihren Waffenlieferungen an die RSF-Miliz hielten die Vereinigten Arabischen Emirate den Krieg am Laufen. Doch statt Druck auf die Emirate auszuüben, betonten die deutsche und die amerikanische Regierung immer wieder, wie wichtig diese als Handelspartner seien, erklärte Ali. Die Vereinigten Arabischen Emirate hätten es geschafft, sich im internationalen Sicherheits-Setup als unangreifbar zu positionieren: „Man will es sich mit ihnen nicht verscherzen.“
Dass der Krieg trotz all der Grausamkeiten weltweit weniger präsent ist als zum Beispiel der Gaza-Krieg, liege auch an Social-Media-Algorithmen, sagte die Politikwissenschaftlerin. Persönliche Beiträge, wie es viele aus Gaza gibt, werden dort schneller verbreitet als Informationsbeiträge zum Sudan. Schon vor dem Krieg hätten im Sudan nur etwa 30 Prozent Zugang zum Internet gehabt, aktuell sei der Web-Zugang extrem kompliziert.
In ihren jüngsten Videos von Massakern in der Stadt Al-Faschir zeigten die RSF-Milizionäre ihre Gesichter, „auch weil sie wissen, dass sie keine Konsequenzen fürchten müssen“, sagte Ali. Die internationale Gemeinschaft könne mit breiteren Sanktionen und einer schnelleren Aufarbeitung von Kriegsverbrechen aktiv werden, betonte sie. Im Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu den ethnisch motivierten Massakern in Darfur Anfang der 2000er Jahre gab es erst in diesem Jahr - 20 Jahre später - einen ersten Schuldspruch.


