Afghanistan: Jurist wirbt für Dialog auf Augenhöhe mit Taliban

Afghanistan: Jurist wirbt für Dialog auf Augenhöhe mit Taliban
Statt sich "große Themen" vorzunehmen, sei es hilfreich, den Dialog zu kleinen Projekten zur Verbesserung der Lebensqualität zu beginnen, sagte Tilmann Röder vom Institute for Law and Society in Afghanistan auf einer Tagung.

Berlin, Schwerte (epd). Für Gespräche mit den Taliban hat sich die 39. Afghanistan-Tagung der Evangelischen Akademie Villigst am Samstag in Berlin ausgesprochen. Tilmann Röder, Vorstand des Institute for Law and Society in Afghanistan in Berlin, trat für einen Dialog auf Augenhöhe ein. „Es muss ein Dialog mit den Taliban stattfinden.“ Statt sich „große Themen“ vorzunehmen, sei es hilfreich, den Dialog zu kleinen Projekten zur Verbesserung der Lebensqualität zu beginnen. Voraussetzung sei die Bereitschaft, einander zuzuhören.

Hans-Hermann Dube, früherer Leiter der Entwicklungszusammenarbeit der GTZ auf internationaler Ebene, betonte, dass die Taliban „nie ganz weg gewesen seien“, auch nicht während der Zeit des internationalen Einsatzes. Den schnellen Zusammenbruch des politischen Systems nach Abzug der US-amerikanischen Truppen erklärte Dube mit dem Ansehen der Taliban in der Bevölkerung durch ihre befriedende Politik nach Ende der sowjetischen Besatzung und dem von Warlords geführten Bürgerkrieg.

Winfried Nachtwei, früher Bundestagsabgeordneter der Grünen und Mitglied des Bundestag-Verteidigungsausschusses, sprach sich für die Einrichtung eines Verbindungsbüros in Kabul aus.

Erik Kurzweil vom Auswärtigen Amt betonte, dass Deutschland mit rund 450.000 Afghanen die größte afghanische Community in Europa beherberge. Schon deshalb sei eine konsularische Betreuung unumgänglich. Seit kurzem seien zwei afghanische Konsularmitarbeiter der Taliban-Regierung in Deutschland tätig. Man könne sich seine Gesprächspartner nicht immer aussuchen, sagte er und warb um Verständnis für die Haltung der Bundesregierung.

Die Bundesregierung hatte im September Gespräche mit dem Taliban-Regime in Afghanistan zumindest über Abschiebungen aus Deutschland verteidigt. Der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer hatte unterstrichen, dass mit den Kontakten keine Anerkennung der Taliban als rechtmäßige afghanische Regierung verbunden sei. Es handele sich um einen Austausch auf technischer Ebene mit dem Ziel, Abschiebungen zu erleichtern.

Der Journalist und Autor Emran Feroz sagte auf der Tagung, er sei „extrem pessimistisch“, was Perspektiven für Afghanistan angehe. 15 Millionen Menschen seien von Hunger bedroht und die internationale Gemeinschaft, auch Deutschland, fahre ihre Hilfe zurück.

Almut Wieland-Karimi, Beraterin für den Peacebuilding Fund des UN-Generalsekretärs, äußerte sich verhalten optimistisch, dass die Taliban auf Forderungen nach einer Lockerung ihrer repressiven Politik eingehen könnten. Durch die Rückkehr Hunderttausender Flüchtlinge aus dem Iran und Pakistan erhöhe sich innenpolitisch der Druck auf das Taliban-Regime.

Die radikalislamischen Taliban haben die Rechte von Frauen und Mädchen massiv beschnitten. Fast 80 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren sind laut der Frauenorganisation der Vereinten Nationen, UN Women, weder beruflich tätig noch gehen sie zur Schule oder Universität. Wegen der wachsenden Armut arbeiten viele Frauen im informellen Sektor, weil ihnen geregelte Beschäftigung kaum erlaubt ist. Die Vereinten Nationen rechnen aufgrund der Verbote für Frauen und Mädchen mit einer Zunahme von Kinderehen und Teenager-Schwangerschaften.