Berlin, Gütersloh (epd). Ausgeschiedene Abgeordnete sehen in der Arbeitsweise des Bundestags erheblichen Reformbedarf. Die Politikerinnen und Politiker bemängeln vor allem bei Digitalisierung, Work-Life-Balance, Umgang mit sozialen Medien oder einer aggressiven Debattenkultur noch Verbesserungsbedarf, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Für die Untersuchung „Arbeitsplatz Bundestag. Reformbedarf im Maschinenraum der Demokratie“ wurden 30 Bundestagsabgeordnete befragt, die während oder zum Ende der vergangenen Legislaturperiode freiwillig aus dem Parlament ausgeschieden sind.
Die Ex-Abgeordneten beklagen der Studie zufolge vor allem ineffiziente und bürokratische Prozesse sowie eine mangelhafte Digitalisierung parlamentarischer Abläufe. Viele Informationen und Dokumente würden nicht digital aufbereitet. Zudem erschwerten volle Tagesordnungen sowie späte Plenardebatten und Abstimmungen die Vereinbarkeit von Familie und Mandat. Hier wünschen sich laut der Untersuchung viele Abgeordnete größere Flexibilität und familienfreundlichere Arbeitszeiten.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Bundestag zwar seinen zentralen Aufgaben der Repräsentation, Gesetzgebung und Regierungskontrolle nachkommt, dieser Funktionserhalt jedoch mit hohen individuellen Belastungen für viele Abgeordnete einhergeht. Während der vergangenen Legislaturperiode haben sich demnach mehr als 150 Bundestagsabgeordnete freiwillig für ein Ausscheiden aus dem Parlament entschieden.
Die Leistungsfähigkeit unserer Demokratie hängt auch davon ab, wie gut die Rahmenbedingungen für politische Amtsträgerinnen und Amtsträger sind, erklärte der Demokratie-Experte und Ko-Autor der Bertelsmann Stiftung, Finn Heinrich. Um diese zu verbessern, empfehlen die Studienautoren familienfreundlichere Sitzungstermine, einen Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Vermittlung moderner Führungskompetenzen. Zudem sollten die Kontrollrechte des Parlaments gegenüber der Regierung gestärkt werden, etwa durch kürzere Fristen für Regierungsantworten.
Für die Studie führte das Berliner Meinungsforschungsinstitut „Pollytix Research“ zwischen Februar und April 2025 Gespräche mit den insgesamt 30 Abgeordneten. Die meisten stammten aus der SPD-Fraktion (12), gefolgt von CDU/CSU (9), Grünen (5), FDP (3) und Linke (1). Aus der AfD-Fraktion nahmen keine Abgeordneten an der Studie teil.