Afghanischer Ex-Richter klagt in Karlsruhe auf Einreiseerlaubnis

Afghanischer Ex-Richter klagt in Karlsruhe auf Einreiseerlaubnis
Der Streit um die Aufnahme von Afghanen erreicht das Bundesverfassungsgericht. Ein ehemaliger Richter aus dem Land klagt in Karlsruhe. Weil die Bundesregierung ihm Schutz versprochen hat, sieht er sie nun auch in der Pflicht, das einzulösen.

Berlin (epd). Ein ehemals oberster afghanischer Richter, dem Deutschland nach der Machtübernahme der Taliban die Aufnahme versprochen hat, will eine Einreiseerlaubnis für sich und seine Familie vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzen. Ziel sei die Erteilung eines vorläufigen Visums, teilte die in Berlin ansässige Gesellschaft für Freiheitsrechte, die das Verfahren unterstützt, am Dienstag in Berlin mit. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte den Eingang einer Verfassungsbeschwerde und eines Eilantrags.

Wie ein Sprecher des Gerichts auf Nachfrage mitteilte, macht der Kläger die Verletzung mehrerer Grundrechte geltend, nämlich des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör, des Vertrauensschutzes, der Menschenwürde, des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie des Anspruchs auf Gleichbehandlung. „Jahrelang habe ich als Richter die Menschenrechte in Afghanistan verteidigt“, erklärte er in der Mitteilung der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Er habe sich auf die Zusage von Deutschland verlassen, „doch jetzt werden meine Familie und ich nicht vor Folter und Tod geschützt“.

Der ehemalige Richter gehört zu der Gruppe von Menschen, denen Deutschland nach der erneuten Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan Schutz in Deutschland versprochen hatte. Über mehrere Programme sollten frühere lokale Mitarbeiter von Bundeswehr und anderen deutschen Institutionen sowie Menschen, die wegen ihres Engagements für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat in ihrer Heimat Verfolgung fürchten müssen, nach Deutschland kommen dürfen.

Die Koalition aus Union und SPD stellte diese Programme allerdings infrage, stoppte die Aufnahmen aus Afghanistan und zweifelt die Verbindlichkeit der Zusagen an. Nur auf Grundlage jüngster Verwaltungsgerichtsbeschlüsse durften in den vergangenen Wochen mehrere Dutzend Menschen einreisen. Der Richter unterlag allerdings vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, weil das Gericht seine Aufnahmezusage über die sogenannte Überbrückungsliste rechtlich anders eingeordnet hat als etwa Zusagen über das Bundesaufnahmeprogramm.

Der Richter hat nach Angaben der Gesellschaft für Freiheitsrechte früher Taliban-Mitglieder verurteilt. Sein Vater sei von einem ehemaligen Verurteilten ermordet worden. Deutschland sieht er den Angaben zufolge in der Pflicht, die Aufnahmezusage einzuhalten, weil er im Vertrauen darauf alles aufgegeben, Haus und Eigentum verkauft habe und nach Pakistan gegangen sei, wo die Aufnahmeverfahren durchgeführt werden. Die Familie habe sich damit auch „aus der Deckung“ begeben und sei bei einer Abschiebung in die Hände der Taliban besonders gefährdet, erklärte die Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Rund 2.000 Menschen mit deutscher Aufnahmezusage harren noch in der Region aus. Ihre Sicherheit ist gefährdet, weil Pakistan seit dem Sommer Menschen wieder zurück nach Afghanistan abschiebt. Von den Grünen kam anlässlich der neuen Klage erneute Kritik an der Bundesregierung. „Es ist eine Zumutung, dass gefährdete Menschen vor deutschen Gerichten klagen müssen, um zugesagten Schutz zu erhalten“, sagte die Bundestagsabgeordnete Schahina Gambir.