Nairobi, Juba (epd). Die politische Eskalation im Südsudan verschärft laut der Diakonie Katastrophenhilfe die Notlage Tausender Menschen. „Das Leid ist unermesslich“, sagte die Programmleiterin des Hilfswerks im Südsudan, Edith Atieno, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die bisherige relative Stabilität sei nicht mehr gegeben. Seit Anfang des Jahres hat sich nach ihren Worten die Lage besonders in den Regionen Upper Nile und Jonglei verschlechtert, die von mehreren Krisen gleichzeitig betroffen sind: Fluten, gewaltsame Auseinandersetzungen und Hunger.
Zudem breitet sich Atieno zufolge die Angst vor einem neuen Krieg aus. Nach der Unabhängigkeit vom Sudan 2011 eskalierten interne politische Konflikte zu einem Bürgerkrieg, bei dem Hunderttausende Menschen getötet wurden. Ein Friedensabkommen beendete den Krieg 2018 mit einer gemeinsamen Regierung der verfeindeten Salva Kiir und Riek Machar. Die Gewalt eskaliert allerdings seit Jahresbeginn erneut. Kiir ist bis heute Präsident, Machar war Vizepräsident bis zu seiner Amtsenthebung Mitte September. Er steht seit März unter Hausarrest, seit dieser Woche läuft ein Prozess gegen ihn wegen Hochverrats.
Atieno fordert mehr internationalen Druck, damit das Friedensabkommen von 2018 umgesetzt wird. „Frieden ist die Voraussetzung dafür, dass Gemeinschaften weitergeholfen werden kann und sie sich entwickeln können“, sagte die Kenianerin, die seit zehn Jahren im Südsudan arbeitet. Die Diakonie setzt im Südsudan mit Partnerorganisationen Projekte zur Ernährungssicherheit, zum Schutz vor Gewalt und zur Katastrophenvorsorge um.
Die Gräuel des Krieges seien in der südsudanesischen Gesellschaft noch sehr präsent, sagte Atieno. Durch die anhaltende Gewalt zwischen bewaffneten Gruppen ist der Südsudan außerdem laut den Vereinten Nationen eines der gefährlichsten Länder der Welt für humanitäre Helferinnen und Helfer. Transporte mit Hilfsgütern würden immer wieder angegriffen, sagte die Diakonie-Programmleiterin.
Zugleich sind nach UN-Angaben mehr als 5 Millionen der über 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner auf Hilfe zum Überleben angewiesen. In den Gebieten, in denen die Diakonie tätig ist, herrschen Atieno zufolge Stufe 4 (Krise) und 5 (Katastrophe) auf der Internationalen Hungerskala. Dort seien Bargeld-Transfers oft der direkteste Weg zu helfen.
„Die Regierung schafft es nicht, eine grundlegende Sozialsicherung bereitzustellen”, sagt Atieno. Laut einem UN-Bericht liegt das auch an der dreisten Plünderung öffentlicher Gelder durch die politische Elite. Hilfsorganisationen geben mehr Geld für die Versorgung der Menschen aus als die Regierung, was aber durch die Kürzungen der reichen Länder immer schwieriger wird. “Die Geber sind müde”, sagt Atieno.