Fulda (epd). Die katholische Kirche muss sich nach den Worten des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf den Veränderungen in der Gesellschaft stellen. Der Glaube als Zustimmung zu zentralen Glaubensaussagen und in seiner lebenspraktischen Relevanz nehme auch unter Kirchenmitgliedern immer mehr ab, sagte Kohlgraf am Dienstag in Fulda. Der Prager Religionsphilosoph Tomas Halik sagte, man befinde sich bereits in einer post-säkularen und post-religiösen Gesellschaft. Es sei eine Zeit der Paradigmenwechsel, sagte der Professor für Soziologie, der am Dienstag Gast der Herbst-Vollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz war, die bis Donnerstag in der osthessischen Stadt tagt.
Die Entkirchlichung bedeute aber nicht das Ende des Glaubens, sagte Halik. Er verglich ähnlich wie der verstorbene Papst Franziskus die Kirche mit einem Feldlazarett für die Gesellschaft, das etwa die Immunität von Gesellschaften gegen Populismus, Fundamentalismus und Nationalismus stärken könne.
Die katholischen Bischöfe berieten auf einem Studientag über Handlungsoptionen der Kirche angesichts der Säkularisierungstrends. „Wir befinden uns inmitten tiefgreifender Veränderungen, denen wir uns stellen müssen - und zwar ohne in Resignation oder Kulturpessimismus zu verfallen oder uns aus der Gesellschaft schmollend zurückzuziehen“, sagte der Vorsitzende der Pastoralkommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.
Basis für die Beratungen sind die Ergebnisse einer religionssoziologischen Studie, die bereits vor zwei Jahren veröffentlicht wurde. Alle Kommissionen der Bischofskonferenz hätten sich anschließend mit den Ergebnissen befasst, hieß es. Die sogenannte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung ist eine repräsentative Langzeitstudie, die seit den 1970er Jahren in regelmäßigen Abständen vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland neu aufgelegt wird. An der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hatte sich die katholische Deutsche Bischofskonferenz erstmals beteiligt.
Zentraler Befund der Studie ist, dass Kirchenbindung und Religiosität in der Bevölkerung abnehmen - ein Trend, der laut Forschern nicht umkehrbar ist. Für die katholische Kirche zeigte sich vor allem eine tiefe Vertrauenskrise. Hinzu kommt, dass nur 27 Prozent der Befragten einen Kirchenaustritt ausschlossen.
Der Theologe Jan Loffeld sagte, viele Bischöfe seien in einer Zeit geboren und sozialisiert worden, in der es ganz andere Kirchenerfahrungen gegeben habe. Viele gehörten der sogenannten Baby-Boomer-Generation an. Zwar befinde sich die Kirche in einem Transformationsprozess, aber „das Christentum hat eine Zukunft“.
Ein Fingerzeig für die Bischöfe dürften vor allem die Ergebnisse der Studie zum Thema Reformen sein: Eine deutliche Mehrheit der Befragten hält Reformen für überlebenswichtig. 96 Prozent aller befragten Katholiken stimmten der Aussage zu, dass sich die Kirche verändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will.
Doch Reformen seien nicht allein die Lösung, betonte Kohlgraf. Klar sei, dass Reformen allein die Kirchenstatistiken nicht retteten. Das halte er auch für falsch. Am Ende zähle nicht, ob das die Kirche rette, sondern ob es dem Evangelium entspreche, was die Kirche tue.