Nairobi, Kigali (epd). In wenigen Tagen ist es soweit und Eric Muhoza ist aufgeregt. Am Wochenende beginnt mit der Straßenradweltmeisterschaft in Ruandas Hauptstadt Kigali nicht nur für ihn ein besonderes Ereignis, es ist ein historischer Moment: die erste Rad-WM in Afrika, das größte internationale Sportereignis auf dem Kontinent seit der Fußball-WM in Südafrika 2010. Und Muhoza ist bereit. Der 23-Jährige ist eine der großen Hoffnungen im ruandischen Radsport und tritt bei der Weltmeisterschaft für Ruanda an.
Dass die absoluten Stars seiner Disziplin in sein Heimatland kommen, sei eine Ehre, sagt Muhoza. „Einmal Pogačar am Berg angreifen“, sagt er und grinst. Ein kleiner Scherz: Der Slowene Tadej Pogačar hat in diesem Jahr zum vierten Mal die Tour de France gewonnen, die prestigeträchtigste Rundfahrt der Welt.
Doch auch der afrikanische Radsport nimmt an Fahrt auf - trotz vieler Hürden, wie teurem Equipment oder dem Bangen um ein Visum vor Rennen in Europa. Vergangenes Jahr gewann der Eritreer Biniam Girmay bei der Tour de France das grüne Trikot für den besten Sprinter der Rundfahrt. „Das war für uns alle wie ein Wunder“, sagt Muhoza, der als Profi für das ostafrikanische Team Amani fährt.
Für die WM ist in Kigali alles vorbereitet. Die Betonschwellen, die die Autos bremsen sollen, wurden entfernt. In Runden geht es für die Radprofis über die Hügel der ruandischen Hauptstadt, die 1.500 Meter über dem Meeresspiegel liegt, verstreut über Dutzende Hügel. Vom 21. bis zum 28. September werden mehr als 1.000 Sportlerinnen und Sportler erwartet. Die Woche über gibt es Zeitfahren in unterschiedlichen Kategorien, dann die Straßenrennen.
Obwohl sich afrikanische Fahrer wie Muhoza auf das Event freuen, ist das Gastgeberland umstritten, unter anderem wegen dessen Rolle im Krieg in der Demokratischen Republik Kongo. Im Osten des Nachbarlandes unterstützt Ruanda die M23-Rebellen, die dort auf dem Vormarsch sind und denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Sogar das EU-Parlament sprach sich für eine Verlegung aus. Doch der Radsportverband UCI blieb bei seiner Entscheidung.
Das spielt dem ruandischen Präsidenten Paul Kagame in die Karten. Seit etwa zehn Jahren investiert seine Regierung in sportliche Großveranstaltungen. Außerdem ist Ruanda Partnerland der US-amerikanischen Basketballliga NBA und hat Marketingverträge mit den europäischen Top-Fußballmannschaften Arsenal London, Paris Saint-Germain und Atlético Madrid. Der FC Bayern hingegen hat einen Sponsoringvertrag im August beendet, hält an der Zusammenarbeit bei der Nachwuchsförderung hingegen fest.
Mit der Werbung sollen Tourismus und Investitionen in dem kleinen Binnenland in Ostafrika angekurbelt werden. Menschenrechtler werfen der Regierung „Sportswashing“ vor, also den Versuch, mit erfolgreichen Sportevents von Missständen abzulenken.
Staatschef Kagame hatte 1994 mit seiner Miliz „Rwanda Patriotic Front“ dem Völkermord an den Tutsi ein Ende gesetzt. Seit er jedoch an der Macht ist, wird sein Regierungsstil autoritärer. Oppositionelle werden verfolgt, zum Teil auch im Ausland, wie „Human Rights Watch“ und Amnesty International berichten. Ruanda war trotzdem ein Vorzeigeland, wenn es um Entwicklung ging. Die Straßen in Kigali sind in gutem Zustand, die Internetverbindung reicht in jedes Dorf. Gerade in den ländlichen Regionen jedoch leben viele Menschen in Armut.
Die WM-Woche in der herausgeputzten Hauptstadt beginnt am Sonntag mit den Zeitfahren der Frauen und Männer. Beim Straßenrennen der Männer zum Abschluss am 28. September fährt Muhoza mit, wie auch Pogačar und Girmay. Eine Strecke über 267,5 Kilometer müssen sie dann zurücklegen und insgesamt 5.475 Höhenmeter überwinden. Sie fahren 15 Mal die gleiche Strecke und eine verlängerte Runde, die über den 1.771 Meter hohen Kigaliberg führt. Die Frauen fahren am Tag davor 164,6 Kilometer, mit 3.350 Höhenmetern.
An den Anstiegen wird mit Tausenden Fans gerechnet, die die Radprofis anfeuern. Von Armut und der Unterdrückung der Opposition hingegen werden die Radprofis und die Kamerawagen, die sie begleiten, voraussichtlich nicht viel sehen.