Potsdam (epd). Der Deutsche Städtetag hat eine Entlastung der Kommunen von steigenden Ausgaben unter anderem im Sozialbereich gefordert. Es gehe dabei „ums Überleben“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetags, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), am Dienstag nach einer Präsidiumssitzung in Potsdam: „Wir können nicht mehr.“ Die Koalition im Bund müsse bei den geplanten Sozialreformen die Themen in den Blick nehmen, „die den Städten wirklich unter den Nägeln brennen“, forderte er und schlug zugleich eine Digitalisierung sowie Zentralisierung mehrerer Aufgaben vor.
Jung sagte, selbst bislang finanzstarke Städte wie Heidelberg stünden inzwischen bei den kommunalen Finanzen schlecht da. Der Hauptgeschäftsführer des Städtetags und frühere Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) sprach von einer kommunalen Finanzkrise, die inzwischen zu einer gesamtdeutschen Krise geworden sei und auch die reicheren Bundesländer betreffe.
Jung sagte, nach einem Defizit von insgesamt rund 24 Milliarden Euro 2024 steuerten die Kommunen in diesem Jahr auf ein „Rekorddefizit“ von mehr als 30 Milliarden Euro, möglicherweise sogar 36 Milliarden Euro zu. Das Bürgergeld sei nicht das entscheidende Problem bei den steigenden Sozialausgaben. Die größten Kostentreiber seien die Kinder- und Jugendhilfe, die Eingliederungshilfe für Behinderte, die Hilfe zur Pflege und die Kindertagesbetreuung.
Der Leipziger Oberbürgermeister sagte, allein in seiner Stadt gingen die Ausgaben für die Hilfe zur Pflege „durch die Decke“: Sie seien von 50 Millionen auf inzwischen 100 Millionen Euro im Jahr gestiegen, weil ältere Menschen ihren Eigenanteil nicht mehr finanzieren könnten. Die Kommunen seien dabei der letzte Ausfallbürge in schwierigen Situationen. Sozialleistungen für ältere Menschen dürften jedoch nicht zum Regelfall werden, das Sozialamt müsse immer die letzte Lösung sein.
Der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes schlug vor, Aufgaben ohne Ermessensspielraum wie Elterngeld, Wohngeld, Bafög und auch die Kfz-Zulassung zu zentralisieren: „Wir geben gerne Aufgaben ab, die wir nicht gestalten können.“ Notwendig sei auch eine stärkere Digitalisierung. Über digitale Plattformen könnte vieles zentral gelöst werden. „Ich rede nicht dem Sozialabbau das Wort“, sagte Jung. Es sei jedoch nötig, zu justieren und zu prüfen, was sinnvoll und vernünftig und was überzogen sei.
Jung betonte, die Kommunen seien gerne bereit, ihre Aufgaben zu erfüllen. Dafür müssten jedoch auch ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dazu sollte unter anderem der Anteil der Umsatzsteuer für die Kommunen erhöht werden. Der Städtetagspräsident sagte, die Kommunen übernähmen ein Viertel der staatlichen Aufgaben, bekämen aber nur ein Siebtel finanziert. Vom Bund beschlossene Gesetze führten zu Mehrausgaben, die nicht ausreichend refinanziert würden.
Zum Thema Migration sagte Jung, dass die Zahl der Neuankömmlinge sinke, entlaste die Kommunen vor Ort bei der Unterbringung. Integrationsaufgaben und die Versorgung mit Kitas, Schulen sowie das „Ankommen in Arbeit“ blieben jedoch bestehen und müssten finanziert werden. „Alles das bleibt“, sagte der Leipziger Oberbürgermeister: „Dort ist keine Entwarnung.“