Stuttgart (epd). Knapp 16 Monate nach dem Messerangriff auf dem Marktplatz in Mannheim ist der Afghane Sulaiman A. wegen Mordes an dem Polizisten Rouven Laur zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Schuld des Angeklagten wiege besonders schwer, sagte der Vorsitzende Richter Herbert Anderer am Dienstag bei der Urteilsverkündung am Stuttgarter Oberlandesgericht. Die besondere Schwere der Tat führe dazu, dass die lebenslange Freiheitsstrafe nach 15 Jahren wohl nicht zur Bewährung ausgesetzt werde. Eine Freiheit nach 15 Jahren sei „nicht zu verantworten“. (AZ: 5 St 2 BJs 231/24)
Am 31. Mai 2024 hatte der damals 25-jährige Sulaiman A.auf dem Mannheimer Marktplatz mehrere Menschen am Stand der islamkritischen Bürgerbewegung „Pax Europa“ mit einem Messer angegriffen, darunter auch den Vorsitzenden der Bewegung, Michael Stürzenberger. Der 29-jährige Polizist Laur wollte eingreifen und erlitt dabei mehrere Stiche im Kopfbereich, an denen er zwei Tage später starb. Fünf weitere Menschen waren schwer verletzt worden. Das Urteil erging wegen Mordes an dem Polizisten in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen und der gefährlichen Körperverletzung in einem Fall.
Richter Anderer sagte in seiner Urteilsbegründung, man habe 31 Prozesstage versucht zu erklären, was der Angeklagte getan und angerichtet habe. Es sei im Prozess immer deutlicher geworden, wie viele Menschen an den Folgen der Tat zu tragen haben. Anderer wandte sich an die Mutter des getöteten Polizisten und an dessen Familie: „Sie stechen natürlich heraus, ihr Sohn ist tot, und natürlich gibt kein Mittrauern, kein Urteil den Sohn wieder.“ Deshalb wolle er bewusst nicht den Täter, sondern erst das am meisten getroffene Opfer in den Blick nehmen: den Polizisten Rouven Laur. Laur sei ein Beamter gewesen, „der dafür stand, dass das Recht für alle gleichermaßen gilt“. Er habe für den Rechtsstaat gestanden und sei dafür gestorben.
Der Angeklagte Sulaiman A. hatte laut Urteil bereits zwei Jahre vor der Tat im Internet dschihadistisches Propagandamaterial geteilt und war per Telegram mit „Gelehrten“ in Kontakt, die ihm gesagt hätten, dass es nicht nur legitim, sondern seine Pflicht sei, „Ungläubige“ zu töten. Daraufhin habe er mit der Planung seiner Tat begonnen, Jagdmesser und Klappmesser sowie eine Präzisionsschleuder mit Munition bestellt.
Am Tattag habe er das Ziel gehabt, zuerst den Islamkritiker Stürzenberger zu töten und dann sofort andere Teilnehmer der Kundgebung. Auch Polizeibeamte habe er angreifen wollen, die er als Repräsentanten des von ihm abgelehnten Staates gesehen habe. Sein Ziel sei gewesen, größtmöglichen Schaden anzurichten und als „Märtyrer“ ins Paradies einzugehen. Diese Absicht werde unter anderem dadurch belegt, dass er sich bei seiner Mutter mit einer Nachricht vor der Tat verabschiedet habe. Ein weiterer Hinweis könne sein, dass er seine Haare und seinen Bart kürzte, um in „reinem Zustand“ zu sterben.
Wie das Oberlandesgericht Stuttgart mitteilte, ordnete der Senat keine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung an. Es lasse sich nicht „mit hinreichender Sicherheit“ feststellen, dass den Angeklagten eine „persönlichkeitsimmanente besondere Gewaltbereitschaft oder Aggressivität auszeichnet“.