Mainz (epd). Auch nach dem Abschluss der langjährigen Grabungen in der Mainzer Johanniskirche stellen Teile der Baugeschichte die Wissenschaft vor Rätsel. Entgegen der verbreiteten Ansicht sei nicht zu 100 Prozent bewiesen, dass es sich bei dem Bau um den Alten Mainzer Dom handele, sagte der Forschungsleiter Guido Faccani in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ich glaube auch, dass es die Kathedrale war“, erklärte er. „Aber ich bin fürs Wissen zuständig.“ Das im Zuge der Arbeiten freigelegte Grabmal des 1021 verstorbenen Mainzer Erzbischofs Erkanbald sei ebenfalls kein Beweis für die These vom Alten Dom, denn lange Zeit seien mittelalterliche Erzbischöfe nicht in ihrer Kathedrale bestattet worden.
Faccani, der 2016 im Auftrag der evangelischen Kirche die Verantwortung für die Ausgrabungen von Fachleuten der staatlichen Denkmalpflege übernommen hatte, sieht zugleich wesentliche Fragen zur Baugeschichte der rund 1.500 Jahre alten Kirche geklärt. So stünden die Ausmaße von St. Johannis im frühen Mittelalter fest. Zudem sei bei den Grabungen eine Krypta gefunden worden, über die es zuvor keine schriftlichen Quellen gegeben habe. Es sei nachgewiesen, dass die bis heute erhaltenen Mauern aus der Zeit um 1000 ursprünglich nur geweißt, aber nicht verputzt gewesen seien.
Offen bleibe beispielsweise noch der Bestimmungszweck eines Vorgängerbaus aus der Römerzeit am selben Ort. Auch der Standort einer in schriftlichen Quellen erwähnten Marienkapelle sei unklar. „Mit solchen Lücken muss man leben“, sagte der Schweizer Archäologe. Ein angestrebtes Folgeprojekt mit Fördermitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) soll weitere Untersuchungen nach Abschluss der eigentlichen Grabungen ermöglichen.
Bei seiner Ankunft sei nicht absehbar gewesen, dass die archäologische Erforschung der Kirche insgesamt mehr als zehn Jahre lang dauern würde, berichtete Faccani. Er war wegen der Arbeit an St. Johannis nach Mainz umgezogen und heiratete 2020 sogar in der Kirche. Dass die Geschichte der Mainzer Johanniskirche bis in Zeiten zurückreiche, in denen die Welt der Antike sich auflöste, sei von Anfang an klar gewesen. Die notwendig gewordene Beseitigung statischer Probleme an dem Bau habe dazu beigetragen, dass die Archäologen deutlich tiefer in den Untergrund graben konnten, als dies ursprünglich geplant war.
Als Vorgängerbau des in direkter Nachbarschaft gelegenen weltbekannten Mainzer Doms war die heutige Johanniskirche aller Wahrscheinlichkeit nach der Ort, an dem bereits Bonifatius, der legendäre „Apostel der Deutschen“, predigte. Nach Beginn der Grabungen waren große Teile des aufragenden Mauerwerks zunächst in die Zeit um 700 zurückdatiert worden, was einer Sensation gleichkam. Diese Einschätzung wurde mittlerweile auf die Zeit um das Jahr 1000 korrigiert. An der außerordentlichen Bedeutung der Kirche ändere das wenig, sagte Faccani.