Berlin (epd). Der Bildungssoziologe Aladin El-Mafaalani hat Reformen für Kindertagesstätten und Schulen gefordert. Die gesamte Bildungs- und Erziehungsinfrastruktur baue darauf, dass Eltern präsent seien und sich beteiligten, sagte El-Mafaalani im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks (Sonntag). Diese Erwartung sei immer schon ungerecht gewesen. Ungleiche Familienverhältnisse führten zu ungleichen Chancen. El-Mafaalani lehrt an der Technischen Universität Dortmund.
Während früher eine Minderheit der minderjährigen Kinder in Familien aufgewachsen sei, die sich nicht aktiv daran beteiligt hätten, dass die Kinder gute Chancen in der Gesellschaft hätten, bilde dieser Anteil heute eine Mehrheit. Dies betreffe vorwiegend Familien mit Eltern, die zugewandert seien oder Personen, die in verfestigten Armutsverhältnissen lebten, sagte er. Kindheit finde immer mehr in den Erziehungs- und Bildungsinstitutionen wie Kindertagesstätten und Schulen statt. Bislang würden Lehrerinnen und Lehrer auf diese Aufgabe an den Universitäten nicht vorbereitet.
Schon heute fehle Personal. Mehr Lehrkräfte und Erzieherinnen werde es nicht geben. Deshalb warb El-Mafaalani für die systematische Einbeziehung der Boomer-Jahrgänge in das Erziehungs- und Bildungssystem. Die gegenwärtige Generation der Rentnerinnen und Rentner sei die kognitiv und körperlich fitteste, die jemals in den Ruhestand gegangen sei.
Die Erfahrung von Armut habe sich für Kinder gewandelt. Während etwa in den 70er Jahren die Menschen daran geglaubt hätten, dass es mit ein bisschen Mühe morgen besser werde als heute, glaube heute die gesamte Gesellschaft nicht mehr daran, dass die Zukunft gut werde, sagte El-Mafaalani. Dadurch werde Armut unerträglich.
El-Mafaalani war mit seinem Buch „Kinder - Minderheit ohne Schutz. Aufwachsen in der alternden Gesellschaft“ zusammen mit seinen Co-Autoren Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier für den Deutschen Sachbuchpreis 2025 nominiert.