Berlin (epd). Der Militärhistoriker Sönke Neitzel hat seine Forderung nach schnellen Reformen in der Bundeswehr für einen möglichen Verteidigungsfall unterstrichen. Es sei eine „Verantwortung vor Gott“, bei der Bundeswehr zu handeln, sagte der Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam am Donnerstagabend in einem Vortrag beim Sommerfest der Evangelischen Militärseelsorge in Berlin. Die Verantwortung gebe es gegenüber den Soldatinnen und Soldaten, die in einem Krieg kämpfen müssten.
Neitzel räumte ein, in der Bundeswehr sei in den vergangenen Jahren seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine viel passiert, es reiche aber nicht. Die Geschichte zeige, dass Armeen meist nur in Kriegen und durch Niederlagen gelernt hätten. Für ihn sei die Frage, ob „wir als Bundesrepublik Deutschland, als Westen, als Nato“ früher die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Krieg in der Ukraine zögen. „Wir sind auf dem besten Weg, das nicht zu tun“, sagte Neitzel.
Der Historiker verwies auf in seinen Augen zu behäbige Strukturen in der Bundeswehr. Über 70 Jahre sei eine „Friedensbürokratie“ aufgebaut worden. Gebraucht werde heute aber eine schnelle und effiziente Armee. „Wir leben eben nicht mehr im Frieden“, sagte Neitzel, der nach eigenen Worten erstmals eingeladen war, in einer Kirche über seine Positionen zur „Zeitenwende“ zu sprechen.
Ausgerichtet wurde das Sommerfest an der Berliner Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche vom Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bernhard Felmberg. Er sagte, die aktuellen Entwicklungen in der Landes- und Bündnisverteidigung forderten auch die Seelsorge heraus. Sie brächten die Seelsorge aber auch in dem Bestreben weiter, nah bei den Soldatinnen und Soldaten zu sein. Es sei aktuell leichter, Überholtes zur Seite zu legen und Neues zu entwickeln.
In der Bundeswehr gibt es mehr als 100 Dienststellen der evangelischen Militärseelsorge. Die Pfarrerinnen und Pfarrer leisten vor Ort Seelsorge und begleiten die Streitkräfte auch in Auslandseinsätze. Neben der evangelischen gibt es auch eine katholische und jüdische Militärseelsorge.