Kassel (epd). Das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) warnt vor den Folgen von Kürzungen im Sozialbereich. Es brauche eine flächendeckende und dauerhafte Finanzierung von Angeboten für gefährdete Menschen, etwa per Telefon oder persönlich, sagte Reinhard Lindner von der geschäftsführenden NaSPro-Leitung am Mittwoch in Kassel bei einer Online-Pressekonferenz anlässlich des Welttags der Suizidprävention am 10. September. Im stationären Bereich müssten die guten, bestehenden Strukturen erhalten bleiben, sagte Lindners Kollegin Barbara Schneider.
Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums signalisierten dem NaSPro in Gesprächen Finanzierungsprobleme, sagte Lindner weiter: „Da können wir als Fachleute sagen: So wird das nicht gelingen.“ Auch vor dem Hintergrund angedachter Kürzungen im Sozialbereich müssten politisch Verantwortliche das Thema auf dem Schirm haben.
Derzeit gebe es kein bundesweites, leicht erreichbares und spezialisiertes Telefonangebot für Personen, bei denen eine Selbsttötung drohe, sagte Lindner. Bei Face-to-face-Angeboten existierten „eine Reihe von guten Angeboten, die sich aber im Rahmen von zeitlich befristeten Projekten entlanghangeln“, zudem seien diese nicht flächendeckend vorhanden. Auch bei Online-Beratungen gebe es Lücken.
Lindners Kollegin in der geschäftsführenden Leitung der NaSPro, Barbara Schneider, ergänzte, ehrenamtgestützte Hilfen seien zwar oft wirksam, könnten aber nicht alles abdecken. Ehrenamtliche bräuchten Ausbildung und Begleitung durch hauptamtliche Fachkräfte.
Diana Kotte vom Dresdner Gesundheitsamt erklärte, vereinzelt nutzten Hilfesuchende bereits Künstliche Intelligenz als eine Art Notfallberatung. „Das funktioniert bis zu einem gewissen Punkt“, sagte sie. Einen echten menschlichen Kontakt könne das aber nicht ersetzen.
Schneider sagte, im stationären Bereich gebe es in Deutschland gute Strukturen für die Verhinderung von Selbsttötungen. Es sei aber „wichtig, dass sie in Struktur und Inhalt erhalten bleiben“. Zudem müsse es möglich sein, neue Erkenntnisse umzusetzen, auch nach dem Umbau des Gesundheitssystems.
Weltweit sei das Thema Suizid noch immer mit einem Tabu belegt, beklagte Schneider. Folglich fehle Menschen, die sich mit dem Gedanken an Selbsttötung tragen, es oft an der Möglichkeit, sich Hilfe zu holen. „Von dieser Sprachlosigkeit sind viele Menschen betroffen“, erläuterte Schneider, beispielsweise auch Angehörige, die sich beschämt oder schuldig fühlten. Eine Überwindung dieser Sprachlosigkeit sei nur durch ein konzertiertes gesellschaftliches Handeln möglich.